105 Minuten bei Ingrid Thurnher: Norbert Hofer (li.) und Alexander Van der Bellen.

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Wenn die Musik verstummt, ist nur mehr ein Sessel frei. Wie beim Spiel Reise nach Jerusalem, bei dem Kinder um den Sesselkreis laufen, aus dem immer mehr Sessel entfernt werden, bleiben in der letzten Runde nur zwei Kandidaten übrig. Sie sind am längsten gelaufen. Am Donnerstagabend mussten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer noch eine große Runde drehen: 105 Minuten bei Ingrid Thurnher auf ORF 2. Sie wirkten müde dabei. Selbst das Publikum wirkte müde. Wie Pappkameraden saßen die Zuseher da. Ganz selten erlaubte man sich einen Szenenapplaus.

Nach dem desaströsen Duell am Sonntag auf ATV analysierte Thurnher dieses zu Beginn fast wie die letzte Sitzung einer Paartherapie. Beide gaben zu, dass sie entgleist waren, entschuldigen wollten sie sich nicht. Doch man blieb im Ton respektvoll. Thurnher führte souverän durch den Abend und klopfte Haltungen, etwa zu EU, Werten oder der Trennung von Staat und Kirche ab.

Wahrnehmungen am Tempelberg

Nur bei der Sache mit Hofers Israel-Reise wurde es ungemütlich. Hofer will am 30. Juli 2014 eine Frau mit Handgranate und Maschinengewehr am Tempelberg gesehen haben, die neben ihm erschossen wurde. Thurnher konfrontierte ihn mit Recherchen, die dem widersprachen. Da wurde Hofer böse: Er werde als Behinderter beleidigt, seine Frau und sein Kind beschimpft, warf er Thurnher vor, die nichts davon gesagt hatte. (Tatsächlich soll an dem Tag eine Frau angeschossen und leicht verletzt worden sein, aber an der Klagemauer, ohne Maschinengewehr und Handgranate.) Am Ende lachte Hofer wieder – über Van der Bellen. Der sagte, er freue sich, bald als Präsident den Dritten Nationalratspräsidenten (Hofer) in der Hofburg begrüßen zu dürfen. (Colette M. Schmidt, 19.5.2016)