Axl Rose und Angus Young im Wiener Ernst-Happel-Stadion.

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Es beginnt so: das Weltall, unendliche Weiten. Zwei Astronauten entdecken filmisch im Wiener Ernst-Happel-Stadion auf diesen LSD-Wänden, die jetzt alle Bands haben, auf einem Planeten, Meteor, Asteroiden, Dings einen Höllenschlund. In dem brennt das ewige Feuer. Es brennt in der Form des Schriftzugs AC/DC. Das Feuer wacht wegen der depperten Störenfriede aus seinem mehrjährigen Mittagsschlaf auf und rast als Feuerball, Meteorit, kosmische Ereignisballung, Dings erzürnt hinaus ins All.

Man kann auch sagen, dem AC/DC geht das Geimpfte auf – und es geht so wie einst die männliche Verwandtschaft, wenn etwas nicht gepasst hat, auf Tour. Dabei macht es total laute Kreisch-, Brumm- und Zischgeräusche. Es rockt. Ein Meteorit, Asteroid, Dings ist so hart, dass die Steine zu weinen beginnen. Es ist sehr bedrohlich. Es raubt uns den Atem. Wenn man wirklich rockig ist, geht das aber gut. Allen wird es gleich gutgehen. Auch im Vakuum. Vakuum heißt, nur so als ungefähres Beispiel, dass es während der nächsten Halbe ex keine Luft gibt.

Aber scheiß dich nicht an, Rock und Roll braucht nur Hölle, Sexy und blinkende Teufelshörner am Kopf. Der Rest ist was für Familienfeiern, Krawatte bis nach der kirchlichen Trauung oder keinen Alkohol vor der Stimmabgabe für die Wahl des nächsten Bundespräservadenten. Eigentlich wird einem jetzt schon vor dem Beginn schlecht, aber: krawumm! AC/DC ist während dieser tiefen Gedanken auf deinen Heimatplaneten und deine Stadt zugerast. Jetzt ist AC/DC aufgeschlagen. 50.000 nicht mehr durchwegs junge, aber kindisch gebliebene Menschen machen mit tausendfach gekauften Teufelshörnern auf dem Plutzer: Woah, bist du deppert! Ist das geil.

Ein dicker Mann im Rock-'n'-Rollstuhl kreischt als erste Nummer Rock or Bust. Es klingt wie eine Hausschlachtung im Hinterhof. Der dicke Mann schaut tatsächlich aus wie Captain James T. Kirk, wenn man ihn im ÖBB-Frührentenalter durch ein mit Crystal Meth und andere Leckerli zugestopftes Wurmloch in der Zeit zurückgebeamt hätte, von Mitte 80 auf Thirtysomething, mit der Betonung auf dem zweiten Teil des letztgenannten Wortes. Es gibt auch viel Hut und Make-up gegen biografische Abnützung.

Axl Rose von Guns N' Roses ist jetzt der Sänger von AC/DC. Der eigentliche Kreischhammel von AC/DC heißt Brian Johnson und darf nicht mehr laute Musik machen, sonst wird er taub. Er ist sozusagen mittlerweile ruhender oder trockener Rock 'n' Roller. Dazu muss man sagen, dass man auch dieses Mal nach dem Konzert in der U-Bahn sitzt wie ein Opapa, wenn das Enkerl zu einem etwas sagt und man aber das Hörgerät daheim vergessen hat. AC/DC sind mächtig laut. Rock 'n' Roll muss laut sein. Wenn etwas nicht laut ist, hören die Alten den Jungen nicht zu.

AC/DC und Axl Rose sind alt, aber das Herz ist jung geblieben. Der Gitarrist Angus Young trägt noch immer die Schulbubenuniform mit kurzen Hosen. Leider dauern die Soli manchmal etwas länger. Es ist aber total rockig. Wenn man wissen will, was Rock 'n' Roll ist, und das am noch lebenden Objekt studieren will, dann sind AC/DC die ideale Partie. Hart, knackig, unbelehrbar – und auf das Wesentliche reduziert. Die Bäckchen und die Goderln mögen etwas hängen, aber, he, wer von uns wirft diesbezüglich den ersten Stein, Rock, Dings?!

Die Befürchtungen, dass der aufgrund des Lebens mitunter auch ganz schön abgerockte Axl Rose seine Kreisch-, Wimmer- und Feuerwehrprobe-Sirenenstimme nicht zweckdienlich einsetzen könnte, erfüllten sich nicht. Erstens sind AC/DC mit routiniert wie ein Meteorit, Asteroid, Dings auf die finalen Zugaben Highway to Hell, Riff Raff und For Those About to Rock (We Salute You) zurasenden Klassikern Back in Black, Hell's Bells, Thunderstruck, If You Want Blood (You've Got It) verlässlich verlässlich. Songs wie der Vandalen-Evergreen T.N.T. und der irgendetwas mit sexuellem Schütteltrauma zu tun habende Hadern You Shook Me All Night Long werden souverän nach Hause gerockt.

Natürlich gibt es außer der Überraschung, dass man von Cpt. Kirk am Mikro überrascht ist, weil er überraschenderweise beim Beamen nicht den Mut und den Willen verloren hat, ordnungsgemäß zu hundert Prozent zu rocken, keine Überraschungen. AC/DC waren wieder einmal in der Stadt, es war total verrockt. Die T-Shirts und die blinkenden Teufelshörner haben wir noch in der Nacht ganz weit hinten im obersten Fach vom Pax-Kleiderkasten versteckt. Dort, wo der singende und tanzende Weihnachtselch liegt, werden auch sie sich wohlfühlen. Die Kinder müssen nicht alles wissen. Eines Tages werden wir es ihnen aber sagen müssen. (Christian Schachinger, 20.5.2016)