Wien – Andrea Maria E. ist erstaunlich lebendig. Was insofern bemerkenswert ist, als sie laut "Österreich" und "Kronen Zeitung" eigentlich tot ist. In ihrer Wohnung an einer Überdosis gestorben, was dazu führte, dass auch ihr Baby neben ihr verdurstete. Die Todesfälle gab es tatsächlich, Berichte dazu illustrierten die Medien allerdings mit Bildern von Frau E., weshalb sich nun Richter Thomas Spreitzer damit auseinandersetzen muss.

Die 35-Jährige, vertreten durch die auch für den STANDARD tätige Anwältin Maria Windhager, hat "Österreich" wegen übler Nachrede und nach dem Mediengesetz geklagt. Für die Zeitung tritt Peter Zöchbauer in den juristischen Ring und betont, dass die Antragstellerin zwar erkennbar, aber nicht betroffen sei: Trotz des falschen Fotos werde ja der Name der Toten, Kristina M., korrekt berichtet.

Schwester gleichen Namens

E. und M. kannten einander – sie waren in der Vergangenheit bei derselben Fluglinie Stewardessen. Bei einem Betriebsausflug machte M. zahlreiche Fotos und stellte sie auf Facebook – von dort aus kamen sie nach ihrem Tod in die Zeitung. Wirklich kurios ist, dass die Klägerin eine Schwester hat – die Kristina M. heißt.

"Recherche ist Meinungsschwäche", lautet eine alte Journalistenweisheit, der "Österreich"-Redakteur beteuert aber, diesen Grundsatz gebrochen zu haben. "Ich war bei der Wohnung der Toten und habe mit dem Nachbarn gesprochen. Der hat mir dann auch das Facebook-Profil und die Fotos gezeigt", sagt er als Zeuge.

Was glaubwürdig ist, denn das Profil ist unter einem Alias-Namen angelegt. Der Journalist zeigt Richter Spreitzer einen Ausdruck zahlreicher Fotos. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Klägerin und Toter ist nicht von der Hand zu weisen, beide sind auch blond. Allerdings: Es gibt auch Bilder, auf denen beide zu sehen sind, daher muss der Unterschied auffallen.

Am Vortag mit richtigem Foto

Er habe die Fotos nur übermittelt, wer das falsche ausgesucht habe, wisse er nicht, sagt der Zeuge. Etwas überrascht ist Spreitzer, als sich herausstellt, dass schon tags zuvor ein Bild in der Zeitung war – das tatsächlich die Tote zeigte.

Zöchbauer verweist in seinen Schlussworten darauf, dass die Bekannten von Frau E. ja wussten, dass sie es nicht sei, schließlich hätten die sie ja in einer geschlossenen Facebook-Gruppe darauf angesprochen. Es sei "ein bedauerlicher Fehler" passiert, die journalistische Sorgfaltspflicht sei durch die Recherche aber gewahrt worden.

Spreitzer ist anderer Ansicht und verurteilt "Österreich" nicht rechtskräftig zu einer Entschädigung von 2.500 Euro. "Dass der Nachbar eine verlässliche Quelle sein soll, kann ich nicht nachvollziehen", begründet er. "Der ist möglicherweise auf seine 15 Minuten Ruhm aus. Und dann hat der Redakteur das Bild nicht einmal selbst ausgesucht – da sind so viele Fehlerquellen, dass man nicht von Sorgfalt sprechen kann."

"Ein bisschen mehr Zurückhaltung"

Spreitzer kritisiert auch Grundsätzliches: "Ich verstehe überhaupt nicht, warum bei so einem tragischen Vorfall überhaupt ein Bild der Toten gebracht werden muss. Oft wäre bei der Berichterstattung ein bisschen mehr Zurückhaltung geboten." (Michael Möseneder, 20.5.2016)