Mir war bis dahin nicht ganz klar gewesen, wie wichtig der Unterricht in Krankenhäusern ist, unter welchem Druck die Lehrenden in einer solchen Situation stehen. Die Welt der Gesunden und die Welt der Erkrankten sind nur durch einen winzigen Riss voneinander getrennt. Ein Rinnsal, das zögernd zwischen diesen beiden Welten dahinplätschert, wenn man auf der sicheren Seite ist. Ein Rinnsal, das erschreckend schnell zu einem reißenden Fluss werden kann, der aus dem gewohnten Leben wegreißt.
Manchmal schafft man die Rückkehr nicht mehr. Umso wichtiger ist jemand, der hinausreicht in dieses wilde Wasser, der Halt geben kann, der vermittelt, dass der Weg zurück nicht gänzlich versperrt ist. Der Fluss ist noch zu überwinden, und jedes Wort, das hinübergeweht wird auf die andere Seite, ist ein Kontakthalten und ein Bestärken des Überlebenswillens.
Es braucht jene Lehrkräfte, die das verloren geglaubte Leben davor in einer neuen Form weiterführen – als Bindeglied zwischen dem abgedrifteten Jetzt und dem ersehnten Gestern, das wieder ein Morgen werden soll. Nur so wird erkrankten Kindern Weiterentwicklung ermöglicht und der Glaube nicht verloren, dass es viele Ziele gibt, die man nicht aus den Augen verlieren darf.
Das Unterrichten in Krisenzeiten erfordert Fingerspitzengefühl und einen guten Radar für das Unausgesprochene. Der Blindflug durch die Nebel der Krise verlangt Sensibilität, aber auch standfeste Grenzen. Ist jemals der Augenblick erreicht, in dem diese Grenze bricht, und das ganze dahinter lauernde Elend über die Unterrichtenden hereinschwappt, so bricht in diesem Moment auch die Standfestigkeit der Kontaktperson zusammen, die dem Menschen in reißender Sturmflut die Hand hält, um ihn zu fixieren.
Es ist eine große Last, die auf den Schultern des Lehrpersonals abgelegt wird, und jeder, der sich diesen Herausforderungen stellt, hat ab sofort meinen größten Respekt verdient. (Julya Rabinowich, 20.5.2016)