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Ein französischer Soldat patrouilliert im Flughafen Roissy. Während der Fußball-EM sollen hier zahlreiche Fans ankommen.

Foto: Reuters / Philippe Wojazer

Eines steht auf alle Fälle fest: Die Unglücksmaschine der Egypt Air war in Roissy-Charles de Gaulle, dem größten Pariser Flughafen, gestartet. Noch tappen die Ermittler im Dunkeln – auch ein technisches Versagen werde nicht ausgeschlossen. Der Crash hat für die Franzosen oberste Priorität. Er ruft ihnen die Terrorbedrohung in Erinnerung. Vor wenigen Tagen erst hatte der Chef des Inlandgeheimdienstes erklärt, sein Land sei in Sachen Terrorismus derzeit "eindeutig das am meisten bedrohte Land".

Und natürlich ist ein Sportfest wie die Fußball-Europameisterschaft Fanatikern ein besonderer Dorn im Auge. Am 10. Juni beginnt das Turnier in zehn französischen Stadien. Mehr als eine Million Zuschauer werden aus dem Ausland erwartet. Ein Großteil wird über Roissy anreisen, liegen doch zwei der wichtigsten Stadien im Großraum Paris.

"Profiler" unter den Passagieren

Frankreich setzt alles daran, dass die Fans in Sicherheit sind. Allein in den Pariser Flughäfen Roissy und Orly sind 5000 Ordnungshüter im Einsatz, die meisten bewaffnet. Auf den Pisten stehen gepanzerte Armeefahrzeuge bereit. Die Reisenden werden schon vor Betreten der Terminals kontrolliert. Im Inneren mischen sich sogenannte "Profiler" unter die Passagiere, um auffällige Personen herauszufiltern. Nichts wird dem Zufall überlassen.

Laut Pariser Medien bleibt aber eine "Sicherheitslücke": das Bodenpersonal. Unter den 85.000 Angestellten der Pariser Flughäfen gibt es etliche Muslime. Das rührt auch daher, dass sowohl Roissy wie Orly in der Pariser Banlieue liegen; und die Direktion von "Paris Aéroports" heuert in Absprache mit den Standortgemeinden gerne Bewohner aus der Umgebung an.

Mehr als 99 Prozent machen keine Probleme. Aber es gibt einige radikale Salafisten oder ägyptische Muslimbrüder. Schon vor zehn Jahren sorgte ein Buch des Rechtspolitikers Philippe de Villiers namens Die Moscheen von Roissy für Aufsehen: Darin wurden Geheimdienstberichte veröffentlicht, wonach private Gepäckfirmen in Roissy von einer algerischen Seilschaft unterwandert seien; einzelne Angestellte pflegten sogar Beziehungen zu jihadistischen Kreisen.

Radikalreligiöse Umtriebe

Die Polizei nahm 2005 insgesamt 22 Gepäckträger fest. Danach kehrte in Roissy Ruhe ein. Nach den Terroranschlägen im vergangenen Jahr wurde allerdings bekannt, dass der für Roissy zuständige Polizeipräfekt 85 Bodenangestellten die Ausstellung oder Erneuerung des "roten Ausweises" wegen radikalreligiöser Umtriebe verweigert hatte. Nur damit darf man in der Sicherheitszone des Flughafens arbeiten.

In der Folge wurden 57 Arbeiter in Roissy wegen islamistischer Aktivitäten entlassen. 15 von ihnen sollen laut dem Magazin Le Point sogar in der geheimdienstlichen "S-Kartei" verzeichnet gewesen sein. "S" steht für "Sûreté de l'Etat", also Staatssicherheit, und meint normalerweise Personen mit Dschihad-Plänen oder -Erfahrung. Das Beunruhigende: Eigentlich hätte ein S-Eintrag automatisch zum Verlust des roten Flughafen-Ausweises führen müssen.

Kritik von Luftfahrtexperten

Diese Umstände werden von den Behörden ungern herausgestrichen. Seit den jüngsten Terroranschlägen wurden sämtliche 85.000 Flughafen-Angestellte einzeln überprüft. Doch ein gewisses Restrisiko wird immer bleiben. Diese Erkenntnis wird den Franzosen von Neuem bewusst, während über die Ursachen der Egypt-Air-Tragödie spekuliert wird. Am Freitag kritisierten Pariser Luftfahrtexperten öffentlich, unter den immer kürzeren Zeiten der Zwischenlandungen leide zwangsläufig die Flugsicherheit.

Am selben Tag hat der mutmaßliche Paris-Attentäter Salah Abdeslam bei seiner ersten ausführlichen Befragung durch die französische Justiz geschwiegen. "Er wollte sich heute nicht äußern", sagte einer seiner Anwälte in Paris. "Er wird es später tun", fügte Frank Berton hinzu. Abdeslam gilt als einziger Überlebender der Attentäter vom 13. November 2015. (Stefan Brändle aus Paris, 20.5.2016)