Wien ist eine Großstadt. Über ihre Vorteile zu reden macht Freude und ein im Großen und Ganzen gutes Lebensgefühl. Über die Nachteile zu reden zeigt recht eindringlich, wie schnell das Lebensgefühl wieder kippen kann – ob begründet oder nicht. Wie schnell Lagerdenken mit erbitterten Gegnern entsteht.
Wien tut viel für seine Bewohner. Dennoch gibt es auch Herausforderungen. Diskussionen um die vermeintliche oder wahrgenommene Verwahrlosung der Stadt eskalieren derzeit mit Leichtigkeit. Entlang der U6 verschärft sich der Diskussionston immer weiter, der Mord auf dem Brunnenmarkt bildet einen tragischen Höhepunkt. Wenn man das alles wirklich in Angriff nehmen will, muss man aber versuchen, Emotionalität hintanzustellen.
Weder sind jene, die sich verunsichert fühlen, allesamt rechte Recken, die nur darauf warten, das geeinte Volk auseinanderzudividieren. Noch sind sie im alleinigen Besitz einer für alle gültigen Wahrheit.
Es muss und soll darüber gesprochen werden, wie man das Drogenproblem in den Griff bekommen möchte. Wie mit Sexualdelikten umzugehen ist.
Aber bitte: mit Realitäten anderer Großstädte vor Augen, die weitaus unangenehmer sind als jene angesprochenen in manchen Teilen Wiens. Und vor allem: ohne alle Migranten zum Problembärbestand zu erklären. Divide et impera vergiftet das Miteinander und verschärft nur die Missstände weiter. (Julya Rabinowich, 22.5.2016)