Renzo Caramaschi, Stadtchef ohne Chance auf Regierung.

Foto: Gemeinde Bozen

Nach der Wahl eines neuen Bürgermeisters blickt Bozen einer schwierigen Regierungsbildung entgegen. Renzo Caramaschi, der von der jahrzehntelang machtbestimmenden Südtiroler Volkspartei (SVP) unterstützte Kandidat des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), gewann am Sonntag zwar die Stichwahl in der Südtiroler Hauptstadt gegen Mario Tagnin vom Rechtsbündnis deutlich mit 55 zu 44 Prozent; der klare Erfolg war allerdings von einem Schönheitsfehler überschattet: Fast 60 Prozent der Wähler blieben zu Hause und bestätigten damit die wachsende Distanz der Bürger zur Politik.

Die Genugtuung des 70-jährigen Wahlsiegers Caramaschi wird überdies durch den Umstand getrübt, dass er im Gemeinderat de facto über keine Mehrheit verfügt.

Zum ersten Wahlgang war vor zwei Wochen ein Gewirr von 17 Parteien und 13 Bürgermeisterkandidaten angetreten. Dabei konnten zwei Protestparteien erhebliche Erfolge einfahren: die faschistische Bewegung CasaPound (6,7 Prozent) und die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo (zwölf Prozent), die Allianzen kategorisch ablehnt. Die SVP war mit 17 Prozent überraschend zur stärksten Partei aufgestiegen, obwohl drei Viertel der Einwohner Bozens der italienischen Sprachgruppe angehören.

SVP verweigert sich

Die Bildung eines neuen Stadtrates wird nun durch die Weigerung der SVP erschwert, eine Koalition mit den Grünen zu bilden, die Caramaschi ebenfalls unterstützt hatten. Es handle sich um "notorische Neinsager", kritisierte SVP-Sprecher Dieter Steger, der eine Fortführung der bisherigen Allianz ausschloss.

Stattdessen wünscht die SVP eine große Koalition mit der Mitte-rechts-Partei von Mario Tagnin. Doch der 47-jährige Zahnarzt, der Berlusconis Forza Italia nahesteht, will in der Opposition bleiben und sich nicht von der mit ihm verbündeten Lega Nord trennen.

Caramaschi war über viele Jahre höchster Beamter der Stadtverwaltung und kennt das Innenleben der Gemeinde wie kaum ein anderer. Er hat nun vier Wochen Zeit, um eine Regierung zu bilden. Daran war bereits sein Vorgänger Luigi Spagnolli gescheitert, der vor einem Jahr die Stichwahl gewonnen hatte.

Umstrittenes Benko-Kaufhausprojekt

Seit September wird die Landeshauptstadt daher kommissarisch verwaltet. Der von der Regierung ernannte Stadtchef Michele Penta hat in den vergangenen Monaten etliche im Parteienstreit verzögerte Projekte auf den Weg gebracht.

Bei einer von ihm initiierten Volksabstimmung im März sprach sich eine Mehrheit der Bürger für das heftig umstrittene Kaufhausprojekt des österreichischen Investors René Benko aus. Gegen und für dieses Großprojekt in Bahnhofsnähe hatten sich zuvor mehrere Bürgerinitiativen gebildet.

Bei wichtigen Infrastrukturen in Bozen hat die Landesregierung zudem ein entscheidendes Wort mitzureden. Das gilt auch für den Ausbau des Bozner Flughafens, über den am 12. Juni per Volksabstimmung entschieden werden soll.

Zwischen Gemeinde und Landesregierung kommt es häufig zu Spannungen, da das Land auf sein Mitspracherecht pocht und der Gemeinde immer wieder Verschleppung wichtiger Projekte vorwirft. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 23.5.2016)