Das vierbändige Werk ist kürzlich im Böhlau Verlag erschienen.

Cover: Böhlau Verlag

Francesca Scanagatta wurde 1776 in Mailand geboren. Sie war ein österreichischer Offizier, da sie als solcher auftrat – und die einzige Absolventin der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt, in die sie statt ihres Bruders eingetreten war. "Wahrhaft entschlossener Seelenstärke ist nichts unmöglich" war ihr Wahlspruch.

Das beeindruckte sogar Kaiser Franz II., der ihr auch nach dem Auffliegen ihrer wahren Identität die Pension gewährte. Scanagatta ist eine von rund 6.500 Frauen, denen "biografiA – Lexikon österreichischer Frauen" gewidmet ist. Das vierbändige Werk ist kürzlich im Böhlau Verlag erschienen und wurde am Freitag in der Präsidentschaftskanzlei präsentiert.

"Es ist eine wichtige und voluminöse Neuerscheinung, was Thema und Gründlichkeit betrifft", sprach Bundespräsident Heinz Fischer. Dann kamen schon die Frauen dran: "Wenn Frauen ihre Geschichte finden, stärkt das ihr Selbstvertrauen", betonte Edith Stumpf als Initiatorin und Mitautorin des Werks, das frauenbiografische Spuren von der RömerInnenzeit bis zur Gegenwart – einschließlich Geburtsjahr 1938 – nachzeichnet und an dem seit 1998 gearbeitet wurde.

Frauen sichtbar machen

Bereits in den 1970er-Jahren habe die Historikerin Erika Weinzierl gemeinsam mit Mitstreiterinnen einen ersten Anlauf für ein solches Unterfangen unternommen, es blieb ein stattlicher Torso und wurde nicht veröffentlicht. Frauengeschichte zu beforschen sei auch deswegen schwierig, weil ungebrochene Berufsbiografien die Ausnahme seien, auch sogenannte Egodokumente wie Briefe und Tagebücher blieben seltener erhalten, weil sie als für nicht wichtig genug befunden wurden.

Die Geschichte ausgewählter Frauen trotzdem sichtbar zu machen sei das Ziel des Lexikons. Auswahlkriterium dabei sei gewesen, dass die Frauen durch eine Handlung oder ein Werk an die Öffentlichkeit getreten waren oder Bekanntheit erreichten.

Die Konzeption des Lexikons orientiert sich also an den theoretischen Überlegungen einer feministischen Biografieforschung. Die soll es erlauben, weibliche Lebensläufe in deren genderspezifischer Bedeutung zu reflektieren und zu würdigen.

Datenbank ausbauen

Das Projekt, das neben der gedruckten Version eine Datenbank zu 20.000 Frauenbiografien umfasst, sei "weniger national ausgerichtet, als es der Titel glauben macht", so die Herausgeberin Ilse Korotin, Leiterin der Dokumentationsstelle Frauenforschung. Es sei "transnational" und "multiethnisch", umfasse es doch zum Beispiel Biografien aus dem ganzen Gebiet der Habsburgermonarchie.

Als Teil des multimodularen Dokumentations-, Forschungs- und Vernetzungsprojekts "biografiA. Biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen" am Wiener Institut für Wissenschaft und Kunst weise es zudem mit neuen Formen wie dem Internet auch in die Zukunft.

Korotin unterstrich die Bedeutung von "Erinnerungskultur als unabgeschlossenem Prozess". Es stelle sich immer auch die Frage: Was wollen wir erinnern? "Wir wollen eine Geschichte, die Partei ergreift für Frauen als agierende Subjekte." Vieles sei noch in einem "rudimentären Stadium", aber die Arbeit gehe weiter. Sie umfasse Wissenschaftsgeschichte, Widerstands- und Exilgeschichte und führe vom Mittelalter und der Frühen Neuzeit zu einem deutlichen Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert. Sie solle auch "Sensibilisierung sein für die Verletzlichkeit von Demokratie". (Tanja Paar, 26.5.2016)