Marcus Bösch und Linda Kruse bilden das Serious-Game-Studio The Good Evil.

Foto: Linda Kruse

Nachrichten spielen: Newsgames gehören zum Kerngeschäft von The Good Evil.

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"Sweatshop HD", das Newsgame hat das britische Entwicklerstudio Littleloud für Channel 4 produziert.

Foto: Littleloud/Channel 4

STANDARD: Was ist ein Newsgame?

Bösch: Ein Newsgame ist ein Spiel, das im Kontext Journalismus eingesetzt wird und – wie andere journalistische Formate – sich manchmal mehr und manchmal weniger dazu eignet, Sachverhalte zu erklären und Meinungen zu transportieren.

STANDARD: Ist das nur eine Ergänzung oder eine neue Art der Berichterstattung?

Bösch: Letztlich können News games etwas, was traditionelle Medien nicht können: Sie sind interaktiv und perfekt geeignet für moderne Ausspielwege – also ein moderner Zugang, bei dem noch ganz viel passieren wird. Das Interaktive und das Spielerische werden in zahlreichen zukünftigen journalistischen Produkten stattfinden.

STANDARD: Nehmen User eine interaktive Berichterstattung eher an?

Bösch: Bisher gibt es keine groß angelegte Studie zu dem Thema. Es gab kleinere Feldversuche: Ein Akademiker in den USA – der den Podcast The Brainy Gamer betreibt – hat seine Studierenden in drei Gruppen geteilt und sie den gleichen Sachverhalt mit einer Reportage, einer Datenvisualisierung und einem Spiel erfahren lassen. Nach mehreren Wochen hat er die Gruppen zu Details befragt, und die Spiel-Gruppe konnte sich am besten daran erinnern, weil sie eben eine eigene interaktive Erfahrung gemacht hat, und die ist nachhaltiger als das reine lineare Aufnehmen von Inhalten. Man lernt Fahrradfahren ja auch nicht durch das Lesen eines Buches darüber.

STANDARD: Kosten für ein Game?

Bösch: Das kommt darauf an, was man haben will. Ein einfaches Newsgame kostet ungefähr so viel wie eine Minute "Tatort" in der Produktion, also etwa 15.000 Euro.

STANDARD: Kann man Newsgames auch für Werbezwecke nutzen?

Bösch: Ein großer Vorteil von Newsgames ist, dass sie gespielt werden wollen und Nutzer damit länger auf der Seite halten. Solange Nutzer in diesem Spiel sind, kann sicherlich auch Werbung eingesetzt werden. Damit wird im Bereich "Games" verhältnismäßig viel experimentiert. Es gibt beispielsweise Spiele, bei denen sich der User zwischen den Levels Werbung anschauen muss, um Vorteile im Spiel zu erhalten. Damit wird die Werbung positiv konnotiert.

STANDARD: Sie betreiben seit 2009 "Mobile Journalism", ist das mittlerweile nicht schon Standard?

Bösch: Für mich persönlich ist das schon lange Standard. Für die "Tagesschau" habe ich damals mobile Videoexperimente gemacht – das liegt sieben Jahre zurück. Jetzt ist das Mobilgerät aus keiner Redaktion wegzudenken. Ich erlebe allerdings in meinen Seminaren, dass die Ergebnisse trotzdem nicht immer journalistischem Qualitätsstandard entsprechen.

STANDARD: Kann sich "Mobile Journalism" noch steigern?

Bösch: Es gibt schon seit einigen Jahren Leute, die sagen, das Smartphone sei technologisch auserzählt. Was man natürlich immer machen kann, ist, die Qualität zu verbessern. Auch Virtual-Reality-Anwendungen weisen noch einen spannenden Weg. Das wird der erste Schritt sein, um danach journalistische Formate in einer Augmented oder Mixed Reality anzubieten. (Sandra Čapljak, 27.5.2016)

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