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Im Umgang mit chronisch kranken Schülern, etwa Diabetikern, sowie beim Impfen plagt manchen Schularzt Haftungsangst. In Vorarlberg gibt es daher Haftpflichtversicherungen für die Doktoren.

Foto: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Wien – Seitens der Schulärzte besteht Hoffnung, dass sich "bis Herbst etwas tut". Aus zwei Ministerien heißt es, man sei in Gesprächen – doch über Veränderungen im Schularztwesen wurde in der Vergangenheit schon öfter geredet. So sei etwa das Gesundheitsblatt, mit dem Schulärztinnen und -ärzte arbeiten, seit Jahrzehnten in Verwendung und nur gelegentlich minimal überarbeitet worden, fasst Lilly Damm vom Institut für Umwelthygiene an der Med-Uni Wien zusammen.

Mithilfe des Blattes werde "nach Erfahrungswerten" untersucht, "es gibt aber keine wissenschaftliche Evidenz" dafür, was bei Schulkindern wann und mit welcher Methode erhoben werde, sagt Damm, die zum Thema "Child Public Health" forscht. Sie warnt: "Daten allein bringen gar nichts. Man muss sie auswerten und wissen, wozu man sie erhebt." In Österreich mangle es an Wissen über Kinder- und Jugendgesundheit, sagt sie. Bei vielem müsse man von Deutschland auf Österreich schließen.

Abgefragt wird auf dem Gesundheitsblatt sehr viel: von Asthma und Allergien über Diabetes, das Seh- und Hörvermögen und Sprachfehler bis zum Zustand der Zähne. Doch die Angaben werden nirgends zentral erfasst. Zuletzt stand bereits die Abschaffung des Formulars im Raum, bis das Unterrichtsministerium nach Protest der Schulärzte einlenkte – DER STANDARD berichtete.

Arbeitsgruppe bei Ministerin

Aus dem Büro der neuen Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) heißt es, die Gesundheitsblätter würden bleiben. Es gebe eine Arbeitsgruppe über die Datenerhebungen der Schulärzte. Das Unterrichtsministerium sei dazu im Gespräch mit dem Gesundheitsministerium. Der Bund ist allerdings nur für rund ein Viertel der insgesamt 2000 Schulärzte in Österreich zuständig. Etwa 1500 sind in den Pflichtschulen tätig, die in Länderzuständigkeit fallen.

Gudrun Weber, Referentin der Schulärztinnen und Schulärzte in der Österreichischen Ärztekammer, nennt noch ein weiteres Problem: In einigen Ländern mangle es an Schulärzten selbst, sagt sie. So soll es in Vorarlberger Pflichtschulen, wo 200 Doktoren benötigt werden, zu Jahreswechsel um 30 Schulärzte zu wenig gegeben haben. Eine Erhebung in 37 europäischen Staaten ergab 2010 für Österreich einen "gravierenden" Personalmangel im Bereich der Schulgesundheit.

Haftungsangst steht im Weg

Neben schlechter Bezahlung und ebensolchen Arbeitsbedingungen würden rechtliche Fragen beim Impfen zu Verunsicherungen führen, sagt Weber. In Vorarlberg schließt das Land daher Haftpflichtversicherungen für Schulärzte ab – "ein interessantes Modell", wie Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin im Gesundheitsministerium, in einem STANDARD-Gespräch sagte. Auch stehe die Haftungsangst nicht nur beim Impfen, sondern ebenso beim Umgang mit Diabetes und Medikamentenverabreichung im Wege.

Was es brauche, sei eine verlässliche Kommunikation innerhalb der Schule, sagt wiederum Kindergesundheitsexpertin Damm. In Schweden funktioniere das Schulgesundheitssystem sehr gut: Da gebe es weniger Ärzte, vielmehr vor allem Schulkrankenschwestern, sogenannte School-Health-Nurses, ebenso Psychologen und Sozialarbeiter. Letztere sollten etwa von Missbrauch betroffene Schüler erkennen und unterstützen. "Schulen wäre am meisten mit Krankenpflegepersonen geholfen, die täglich mehrere Stunden anwesend sind und im Team mit Schulärzten arbeiten."

Schulaufnahme-Assessments

Bei Kindern mit chronischen Gesundheitsproblemen wie Diabetes oder Epilepsie fordert Damm Schulaufnahme-Assessments mit Direktion, Lehrern, Schularzt und Eltern. Schulärzte-Vertreterin Weber sieht bei chronisch kranken Kindern hingegen schon jetzt keine großen Probleme. "Diabetiker werden altersgerecht geschult", sagt sie. Mitschüler und Lehrer würden vom Schularzt informiert, was etwa im Falle eines Hypos – einer Unterzuckerung – zu tun sei. "Das klappt wunderbar", sagt Weber.

Laut Vertretern der Kinderkrankenpflege stoßen Betroffene einer chronischen Krankheit aber oft an "gesetzliche, finanzielle oder persönliche Grenzen des pädagogischen Systems". Die Mobile Kinderkrankenpflege kann da bei der Einschulung helfen, was je nach Bundesland von der öffentlichen Hand unterschiedlich stark – bis gar nicht – unterstützt wird. (Gudrun Springer, 27.5.2016)