
Der 89-jährige Ultrakonservative Ahmad Jannati (ganz links) ist Vorsitzender des Expertenrats
Teheran/Wien – Die Bäume der Reformer unter Präsident Hassan Rohani wachsen trotz guten Abschneidens bei den Wahlen nicht in den Himmel: An der Spitze des Expertenrats, der wie das Parlament Ende Februar neu gewählt wurde, sitzt jetzt Ayatollah Ahmad Jannati, unter den ideologischen und politischen Hardlinern, die in den Rat gewählt wurden, der schärfste.
Andere Ultrakonservative, wie Jannatis Vorgänger als Ratsvorsitzender, Mohammed Yazdi, hatten im Februar ja sogar ihre Sitze verloren. Und eigentlich ist auch Jannati ein Wahlverlierer: Er bekam in seinem Wahlbezirk Teheran die wenigsten Stimmen, weit abgeschlagen hinter dem Stimmenstärksten, dem alten Politprofi Ali Akbar Hashemi Rafsanjani.
Auch Chef des Wächterrats
Dieser trat zur Überraschung vieler jedoch am Dienstag zur Vorsitzendenwahl nicht einmal an. Der Kandidat, der der Regierung am nächsten steht, Ebrahim Amini, wurde zwar Zweiter, lag aber mit 21 Stimmen im Vergleich zu Jannatis 51 weit hinten. Es heißt, hinter den Kulissen habe der religiöse Führer, Ali Khamenei, die Wahl Jannatis betrieben. Rohani hat momentan einen schweren Stand, weil der Fall der Sanktionen, wie ihn der Atomdeal vorsieht, nur schleppend anläuft.
Jannati ist nun ein mächtiger Mann, denn er ist auch Chef des Wächterrats, dessen Aufgabe es ist, darauf zu achten, dass Kandidaten, die bei Wahlen antreten, und Gesetze, die aus dem Parlament kommen, nicht den Werten der Islamischen Republik zuwiderlaufen. Der Expertenrat wählt den religiösen Führer. Dass diese Aufgabe auf den aktuellen Rat zukommen könnte, ist nicht unwahrscheinlich: Seine Amtsperiode beträgt acht Jahre, und der krebskranke Khamenei wird 77.
Shahrudi bleibt im Spiel
Allerdings ist Jannati selbst 89 und nur auf zwei Jahre gewählt. Sein erster Stellvertreter, Mohammed Ali Mohavedi Kermani, ist 85 – was die Aufmerksamkeit auf seinen zweiten Vize, Mahmud Hashemi Shahrudi, lenkt.
Der aus dem Irak stammende 67-jährige ehemalige Justizchef war ebenfalls zur Vorsitzwahl angetreten und gescheitert. Er war schon einmal Expertenrat-Vizechef und interimistischer Vorsitzender nach dem Tod von Ayatollah Mohammed Reza Mahdavi Kani im Herbst 2014. Shahrudi, der sich als über den Lagern stehend präsentiert, gilt als Mann der Zukunft, er wurde verschiedentlich als möglicher Nachfolger Khameneis genannt.
Bleibt die Frage, warum Expräsident Rafsanjani, der sich bei den letzten Wahlen mit aller Kraft für Rohani in die Schlacht geworfen hatte, nicht versucht hat, den Expertenrat an sich zu reißen. Die Spekulationen konnten nicht ausbleiben, dass die jüngsten Probleme seiner rebellischen Tochter Faezeh ihn dazu bewogen haben.
Die rebellische Faezeh
Die Kontroverse brach Anfang Mai aus, als in sozialen Medien ein Foto zu zirkulieren begann, das die 54-jährige Faezeh im Haus der Bahai-Aktivistin Fariba Kamalabadi zeigte. Die beiden Frauen hatten sich 2013 im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran eine Zelle geteilt. Faezeh Hashemi Rafsanjani, die im Jahr 2000 die erste iranische Frauenzeitung gegründet hatte, war wegen ihrer Protestaktivitäten nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad 2009 sechs Monate lang gesessen. Kamalabadi büßt gemeinsam mit sechs weiteren Bahais noch immer eine Haftstrafe von 20 Jahren für Spionage für Israel ab, zu Hause befand sie sich nur auf Hafturlaub.
Der Empörungswelle über die Parteinahme der Rafsanjani-Tochter für eine "von den Kolonialisten geschaffene abweichlerische Sekte" schloss sich auch ihr Vater an. Faezeh entschuldigte sich jedoch nicht, wie gefordert, sondern legte vielmehr in einem Interview mit Euronews nach: Sie bereue nichts. Ihre Zeit im Gefängnis hatte sie schon zuvor als die beste in ihrem Leben bezeichnet, in der ihr "die Augen geöffnet" worden seien.
Religiöse und politische Verfolgung
Die Bahais, Angehörige einer im 19. Jahrhundert entstandenen monotheistischen Universalreligion, werden im Iran religiös und politisch verfolgt. Dadurch, dass sich ihre bedeutendste Pilgerstätte und Zentrale in Haifa befindet, werden sie immer wieder der Kollaboration mit Israel gegen die Islamische Republik bezichtigt.
Nicht der gesamte schiitische Klerus unterstützt die Verfolgung der Bahais, auch bei der Aufregung um die Rafsanjani-Tochter gibt es geistliche Stimmen, die zur Vernunft aufrufen: "Das sind nur zwei menschliche Wesen, wo ist das Problem?", zitiert die New York Times einen Mullah aus Ghom. (Gudrun Harrer, 26.5.2016)