Junge im Bus: "In letzter Zeit wird mir bei allem, was ich auf Facebook lese, schlecht."

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Die Wahlanfechtung der FPÖ hat die Präsidentschaftswahl noch vor der offiziellen Angelobung des Bundespräsidenten wieder in die öffentliche Debatte gerückt. Der Wahlkampf und die Stichwahl hatte das Land polarisiert. Sogar Schulkinder in der Unterstufe, die sich sonst nur über Schulgegenstände, Lehrer oder gerade angesagte Handyspiele unterhalten, diskutierten über den knappen Wahlausgang. Etwa in einem öffentlichen Verkehrsmittel in der Region Obersteiermark.

Ein Mädchen gibt ihrer Traurigkeit Ausdruck, dass Norbert Hofer nicht zum Präsidenten gewählt wurde. Ein Junge bemerkt, wie erleichtert er über die Wahl von Alexander Van der Bellen ist. Bald kommen sie auf die Motive für und gegen "ihre" Kandidaten zu sprechen. Während das Mädchen den Eindruck macht, vor allem Floskeln zu wiederholen und diese auszubauen, probiert der Junge, eigene sachliche Argumente dagegen zu finden.

"Du dort drüben schon"

So spricht das Mädchen von Wirtschaftsflüchtlingen, die nun kämen und Vergewaltigern, denen Van der Bellen die Grenzen weit aufmachen würde und wie Hofer das verhindert hätte. Der Junge probiert zu argumentieren, dass der Bundespräsident doch gar nicht solche Dinge entscheiden könnte. Worauf sie auf Angriff geht und meint: "Ihr werdet's euch schon anschauen, wenn alle Vergewaltiger kommen." Und etwas ruhiger hinzufügt: "Außerdem will der Hofer eh die echten Flüchtlinge aufnehmen, die wirklich arbeiten wollen und deutsch lernen."

Auch andere Kinder beteiligen sich an der Diskussion: "Willst du dann an der Grenze stehen und zu den Flüchtlingen sagen, du schaust aus wie ein Vergewaltiger, du darfst nicht rein. Du dort drüben schon." oder "Er hat gesagt, die werden sich noch wundern, was möglich ist. Die werden sich wirklich noch wundern." Nach einigen Minuten zerläuft die Diskussion. Die Kinder blicken wieder auf ihre Handys. Dann sagt der Junge zu einem Freund recht leise: "In letzter Zeit wird mir bei allem, was ich auf Facebook lese, schlecht."

Emotionaler, ehrlicher Wortwechsel

Was können wir von denen lernen, die noch nicht wählen dürfen? Über den Wortwechsel habe ich lange nachgedacht. Er ist mir, im Vergleich zu Diskussionen der Erwachsenen, deutlich ehrlicher vorgekommen. Und auch wenn es emotional herging, waren keine gegenseitigen direkten persönlichen Angriffe festzustellen. Die Kinder mochten sich, unabhängig vom besprochenen Thema.

Was mir seither wieder sehr deutlich in Erinnerung gerufen wurde: Kinder werden meist unterschätzt. Und oft haben sie noch nicht die Maske aufgesetzt, die man uns durch Beruf und Umfeld antrainiert.

Interesse an Politik

Vor 18 Jahren war ich 12 Jahre alt. Ich erinnere mich noch genau an die Wut, wenn mich Erwachsene nicht ernst genommen haben. Wenn der Verkäufer unfreundlich zu einem war, weil man ihm lästig war. Mein Glück war damals schon, dass innerhalb der Familie die Situation ganz anders war. Wir wussten immer, welche Standpunkte die Eltern in politischen Fragen hatten und sie bemühten sich auch, ihre Entscheidungen zu erklären. Auch Diskussionen wurden bereits sehr früh geführt.

Diese kleine Gruppe Kinder war an dieser Wahl wirklich interessiert, obwohl sie selbst noch nicht wählen durfte. Das gibt Hoffnung, zeigt es doch, dass Interesse an unserem politischen System besteht. Dass Menschen mitentscheiden wollen. Nur dürfen wir ihnen dieses Interesse nicht wieder austreiben. (Lena Pilz, 10.6.2016)