Reglos, vermummt und mit Sonnenbrille verfolgte Tschads Exdiktator Hissène Habré am Montag die mehr als eineinhalbstündige Urteilsverlesung von Richter Gbertao Kam. Zum Schluss brach Jubel unter den Opfern und den Angehörigen aus. Der Richter befand Habré unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter, Mordes und Zwangsprostitution für schuldig. In einem Fall wurde er auch der direkten Vergewaltigung für schuldig befunden. Das Urteil lautet lebenslange Haft.
Nach fast einem Jahr endet damit ein Prozess, dessen Zustandekommen schon als Sensation galt. Es war das erste Mal, dass ein afrikanischer Exstaatschef wegen Menschenrechtsverbrechen vor dem Gericht eines anderen afrikanischen Landes stand. Mehr als 20 Jahre kämpfte Jacqueline Moudeina, die Anwältin der Opfer Habrés und ihrer Angehörigen, dafür, dass ihren Klienten Gerechtigkeit widerfährt. "Es ist ein Prozess für die Geschichtsbücher", sagt auch Clement Aboufeita, ein ehemaliger politischer Gefangener in einem ZDF-Interview. "Habré hat unser Leben zerstört, dafür muss er jetzt büßen."
Anklagepunkte
Die Liste der Anklagepunkte war lang: Habré, der sich nach dem Putsch des jetzigen Präsidenten Idriss Déby 1990 in den Senegal abgesetzt hatte, wurden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter vorgeworfen. In seiner Amtszeit zwischen 1982 und seinem Sturz 1990 wurden etwa 40.000 Oppositionelle und Kritiker, insbesondere Angehörige nichtmuslimischer Gruppen, auf seinen Auftrag hin ermordet. Zehntausende Menschen wurden von der tschadischen Geheimpolizei, der "Abteilung für Dokumentation und Sicherheit" (DDS), systematisch gefoltert.
Im Juli 2015 begann der Prozess – mit einem Eklat: Habré, der die Legitimität des Sondertribunals in Dakar bis heute nicht anerkennt, weigerte sich, den Gerichtssaal zu betreten. Der in traditionelles weißes Gewand mit Turban gekleidete Exherrscher musste in den Gerichtssaal getragen werden – und ihn wenig später wieder verlassen: Der heute 73-Jährige bezeichnete den Prozess lautstark als Farce und als Verschwörung der USA.
Das Sondertribunal in Dakar wurde vom Senegal und der Afrikanischen Union eingerichtet. Erst durch den Amtsantritt des senegalesischen Präsidenten Macky Sall im Jahr 2012 wurde eine Strafverfolgung Habrés überhaupt möglich. Bis dahin konnte er bis zu seiner Verhaftung im Juni 2013 mehr oder weniger unbehelligt im Nobelviertel von Dakar leben, wo er als "wohltätiger und diskreter" Mann galt. Ursprünglich waren drei Monate für den Prozess veranschlagt worden, letztlich dauerte er fast ein Jahr. Dabei wurden Zeugenaussagen von rund 2.500 Opfern des Habré-Regimes gehört. 187 Seiten umfasste die Anklageschrift.
Internationale Verantwortung
Menschenrechtsaktivisten weisen auch immer wieder darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft Habré im Wissen um seine Schreckensherrschaft gewähren ließ. Die USA und Frankreich hatten konkrete Interessen daran, dass Habré an der Macht blieb. Schließlich hofften sie, er könne eine Vormacht von Libyens Muammar al-Gaddafi in Afrika verhindern. Tatsächlich schlugen Habrés Truppen 1983 Gaddafis Armee im Norden des Tschad. Habré wurde in Abwesenheit bereits 2008 in seiner Heimat zum Tod verurteilt. (mhe, 30.5.2016)