Schon die Vogelperspektive auf die slowenische HauptstadtLjubljana zeigt, dass mit dem Schlossberg auch im Zentrum eine große grüne Lunge atmet.

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Das grüne Wappentier Ljubljanas auf der 1907 fertiggestellten Drachenbrücke über den Fluss Ljubljanica.

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Sage noch einer, die griechische Mythologie habe keinen Bezug zur Gegenwart: Wer in den Stadtchroniken Ljubljanas nachschlägt, stößt unweigerlich auf Jason. Der Sage nach wurde Ljubljana von ihm, dem griechischen Helden gegründet. Jason war Anführer der Argonauten und raubte in der Antike dem Aietes, König von Kolchis, heutiges Westgeorgien, das sagenumwobene Goldene Vlies, was keine Kleinigkeit war.

Die kostbare Schafshaut wollte er in Sicherheit bringen und floh mit dem Schiff Argo vor den wütenden Verfolgern, was ihm und den wackeren Ruderern den stets mit Bewunderung ausgesprochenen Beinamen "Argonauten" einbrachte. Weil aber schon die Anreise hundsanstrengend war, passierte Jason ein folgenschwerer Fehler: Statt auf dem Ägäischen Meer in den Süden zu fahren, gerieten die Männer in die Mündung der Donau, und irgendwie gelangten sie so ins Fahrwasser der Ljubljanica.

Der Drache als Wappentier

Und als ob das nicht schon genug Unbill gewesen wäre, taucht plötzlich ein schreckliches Ungeheuer auf, das der ganzen Truppe den erfolgreichen Beutezug auf den letzten Metern noch verpfuschen hätte können. Jason wirft sich dem Flügelvieh todesmutig in den Weg und killt es beinhart. Und jetzt kommt's: Seither ist der grüne Drache Wappentier von Ljubljana.

Die Legende hat deshalb ein Alleinstellungsmerkmal, als hier nicht der strahlende Held Patron ist, sondern der Unterlegene. Ein Hoch den Schwachen! Noch besser ist aber – und damit sind wir endlich in der Gegenwart angelangt: Der Drache ist grün. Somit passt auch mythologisch, was Sloweniens Hauptstadt im Jahr 2016 laut EU-Kommission ist: grüne Hauptstadt Europas. Mit dem Titel dürfen sich bisher nur Stockholm, Hamburg, Vitoria-Gasteiz, Nantes, Kopenhagen und Bristol brüsten. Alle haben die Auszeichnung erhalten, weil sie in Sachen Nachhaltigkeit Vorbildliches vorzuweisen haben: Ljubljana etwa hat sich den Preis schon aufgrund seiner topografischen Gegebenheiten verdient. Zwischen Tivoli und Schlossberg grünt und sprießt es auch ohne kultivierendes menschliches Zutun.

Neue Bäume für die Stadt

Die Stadt hat in den letzten Jahren viel zur Steigerung der Lebensqualität beigetragen: Mehr als 2000 Bäume wurden gepflanzt, die Altstadt ist nahezu autofrei, Parks, Grünflächen, Spielplätze und mehr wurden geschaffen.

Der Wohlfühlcharakter drückt sich durch pure Lebensfreude aus: Die Ufer der Ljubljanica säumen Lokale, die den Weg nach Hause erschweren: Das sieht doch auch nett aus, das müsssen wir auch noch ausprobieren!

Junge Hauptstadt

Wem danach die Wege zu lang sind, der kann einfach in ein elektrobetriebenes Mopedauto steigen, das den ganzen Tag die Wege kreuzt, und sich zur nächsten Ausstiegsstelle bringen lassen. Wer Durst hat, trinkt aus öffentlichen Brunnen mit frischem Wasser. Das mögen nicht nur Touristen, als Universitätsstadt ist Ljubljana nicht nur grün, sondern auch junge Hauptstadt.

290.000 Einwohner zählt Ljubljana, auf einer Fläche von rund 275 Quadratkilometern breitet sich der Nachhaltigkeitsgedanke aus. Imposantestes Beispiel einer sanften Erneuerung ist die Burg von Ljubljana. Erste Belege datieren zurück ins 13. Jahrhundert, doch es war der Stadtvater Ivan Hribar, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Idee eines Schlosses zum Wohle der Allgemeinheit schuf und Wohnungen für diese bauen ließ.

Erhöhtes kulturelles Zentrum

1969 begannen die Renovierungsarbeiten, die mehr als 40 Jahre dauerten und an die Hribar'sche Idee anknüpften. Auf 376 Metern Meereshöhe entstand ein kulturelles und gesellschaftliches Zentrum mit hochwertiger Architektur für alle. Nach oben führt eine flotte Standseilbahn. Grün-Puristen können aber auch den beschaulichen Fußweg nach oben nehmen.

Erkunden lässt sich das in einer der zahlreichen Touren, die man in den Glascontainern des Ciril-Metodov trg buchen kann. Weniger der Nachhaltigkeit als dem leiblichen Wohl verpflichtet sieht man sich zum Beispiel bei einer Fresstour, bei der Krainer Würste, Rindszunge und süße Strukelj (Strudel) gereicht werden, nicht zu vergessen prachtvolle Weiß- und erdige Rotweine.

Paradies für Slowfood-Liebhaber

Glücklich ist, wer freitags bei Schönwetter kommt, denn dann bespielen die besten Köchinnen und Köche Sloweniens den Marktplatz mit Würsten, Bratkartoffeln, Struklji mit Estragon-, Topfen- und Walnussfüllung, Ljubljanski strukelj und Apfelstrudel. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil an Eigenproduziertem aus biologischer Landschaft in Slowenien, was das Land generell zu einem Paradies für Slowfood-Liebhaber macht.

Ljubljana ist übrigens nur die Spitze des grünen Berges. Denn auf Nachhaltigkeit setzt Sloweniens Tourismuswirtschaft seit Jahren und kann dabei auch einiges vorweisen: 60 Prozent des Landes sind mit Wald bedeckt, 36 Prozent Naturschutzgebiet, 20 Prozent der Küste sind streng geschützt. Mehr als 20.000 Tier- und Pflanzenarten stellen eine der größten Artenvielfalten Europas dar und sorgen dafür, dass Slowenien auch nach 2016 so grün bleibt, wie es ist. Schon um des Drachens willen. (Doris Priesching, 1.6.2016)