Seit Jahresbeginn sind laut UNHCR rund 2.500 Menschen im Mittelmeer ertrunken.

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Genf/Berlin/Athen/Idomeni – Bei mehreren Schiffsunglücken sind in der vergangenen Woche 880 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Das gab das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) am Dienstag unter Berufung auf Gespräche mit Überlebenden bekannt. Zuletzt war von 700 ertrunkenen Menschen die Rede gewesen.

Obwohl die Zahl der aus Libyen nach Italien übersetzenden Flüchtlinge in diesem Jahr ungefähr gleich hoch ist wie 2015, sind bereits wesentlich mehr Menschen auf der Überfahrt gestorben. 2016 sei bisher "besonders tödlich", erklärte das UNHCR. Seit Jahresbeginn sind demnach 2.510 Menschen im Mittelmeer ertrunken, vor einem Jahr waren es 1.855.

Helfer mit totem Baby im Arm

Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch veröffentlichte unterdessen das Bild eines im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingsbabys und forderte damit die EU dringend zum Handeln auf. "Wenn wir solche Bilder nicht mehr sehen wollen, müssen wir aufhören, sie zu produzieren", erklärte Sea-Watch am Montagabend. Das Bild zeigt einen Rettungshelfer an Bord eines Bootes, der ein totes Baby im Arm hält. Er hält den Kopf gesenkt und blickt das Kind an.

Das Baby, dessen Alter und Identität unklar blieben, war nach Angaben von Sea-Watch gemeinsam mit rund 350 Flüchtlingen an Bord eines Holzbootes, das Ende vergangener Woche vor der libyschen Küste kenterte. Als das Rettungsboot von Sea-Watch die Schiffbrüchigen erreicht habe, seien viele Menschen bereits ertrunken gewesen, erklärte die Organisation, ohne genaue Angaben zur Zahl der Toten machen zu können.

Kritik an "Lippenbekenntnissen" der EU

Vor dem Hintergrund solcher Tragödien werde klar, dass Aufrufe von EU-Politikern, dem Sterben im Mittelmeer ein Ende zu bereiten, lediglich Lippenbekenntnisse seien, erklärte Sea-Watch. Die Gruppe verteidigte zudem die Veröffentlichung des erschütternden Bildes mit der Dramatik der Ereignisse. Die europäische Gesellschaft müsse sich solche Bilder anschauen, denn diese Tragödien seien "Konsequenz der europäischen Außenpolitik".

Nur die Einführung neuer Systeme, die einen "legalen und sicheren Eintritt in die EU" ermöglichen, könnte laut Sea-Watch die humanitäre Tragödie beenden. Im vergangenen Jahr war das Bild des syrischen Buben Aylan Kurdi um die Welt gegangen und zum Symbol der Flüchtlingskrise geworden. Der Dreijährige war ertrunken an einem türkischen Strand gefunden worden.

Bessere Unterbringung

Der griechische Migrationsminister Ioannis Mouzalas hält die Kritik an den schlechten Zuständen in einigen Flüchtlingslagern für ungerecht. Keinem anderen Land sei es gelungen, ein so großes inoffizielles Lager wie das von Idomeni ohne Gewaltanwendung zu räumen, sagte er am Mittwochabend im Fernsehsender ERT.

Auch die nun nahe von Idomeni entstandenen improvisierten Lager werde die Polizei ohne Gewalt auflösen, versprach Mouzalas. In den kommenden Wochen werde die Regierung die Menschen im ganzen Land verteilen und sie nach und nach in Containerwohnungen statt Zelten unterbringen.

Zugverkehr normalisiert

Wenige Tage nach der Räumung des inoffiziellen Flüchtlingslagers in Idomeni hat sich der Zugverkehr zwischen Griechenland und Mazedonien wieder normalisiert. Wie das griechische Fernsehen berichtete, fuhren am Dienstag die ersten zwei langen Güterzüge aus Griechenland über die Grenze. Mehr als zwei Monaten lang hatten Flüchtlinge aus Protest gegen die Schließung der Balkanroute die Trasse gesperrt.

Die Blockade der wichtigen Bahnverbindung soll nach Schätzungen bei der griechischen Bahn Verluste von mindestens 2,5 Millionen Euro und bei den Transporteuren des Landes Verluste von rund sechs Millionen Euro verursacht haben. Die Güter mussten während der Blockade über Umwege über Bulgarien nach Mitteleuropa transportier werden. (APA, red, 31.5.2016)