Ja, es ist ärgerlich, wenn ein Wein korkt. Und ja, es ist noch ärgerlicher, wenn er nicht offensichtlich stoppelt, sondern einfach nur dumpf und irgendwie fad schmeckt – wenn er einen sogenannten schleichenden Kork hat.
Aber die Hysterie, die manche Kenner in puncto Weinfehler an den Tag legt, ist schlicht nervend. Kaum sitzt man in einer vermeintlich entspannten Runde, will garantiert jemand einen Kork erkannt haben. Vielmehr: einen schleichenden Kork. Mit dem Aufspüren dieses hinterlistigen Defekts verweist man auf besondere Kennerschaft – verfügt doch Ottonormaltrinker gar nicht über einen derart gebildeten Gaumen.
Ob der Kork nun schleicht oder trampelt, darüber lässt sich noch über Stunden vortrefflich diskutieren. Das ermüdende Prozedere wiederholt sich dann bei jeder dritten Flasche – zum Trinken kommt man dabei kaum.
Wer glaubt, bei Schraub- oder Glasverschlüssen sei die Debatte vorbei, irrt: Symptome von Korkfehlern treten nämlich theoretisch auch auf, wenn gar kein Kork im Spiel ist. Unsaubere Fässer, imprägnierte Paletten oder chlorhaltige Reinigungsmittel im Keller können die Ursache sein. Das passiert kaum, ist aber ein durchaus willkommener Nährboden für spitzfindige Fachgespräche.
Der Grat zwischen sensorischer Sensibilität und Wichtigtuerei ist halt sehr schmal. (Christina Fieber, RONDO, 3.6.2016)