Wo und wann finden die Parteitage ("National Party Conventions") in den USA statt?

Die Nominierungsparteitage finden in den USA in der Regel wenige Monate vor der Präsidentenwahl im November statt. Allgemein gilt bei den beiden Großparteien, dass die Partei, die nicht den amtierenden Präsidenten stellt, zuerst ihren Parteitag abhält. Im Wahljahr 2016 findet der Parteitag der Republikaner von 18. bis 21. Juli in Cleveland, Ohio statt. Der Parteitag der Demokraten wird eine Woche später in Philadelphia, Pennsylvania abgehalten. Neben den beiden Großparteien veranstalten bzw. veranstalteten 2016 die Constitution Party (13. bis 16. April in Salt Lake City), die Libertarian Party (26. bis 30. Mai in Orlando) und die Green Party (4. bis 7. August in Houston) Parteitage.

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Spektakel: Ballons in den Farben der US-Flagge schweben auf George Bush und Dick Cheney beim Parteitag der Republikaner 2004 im Madison Square Garden in New York City herab.
Foto: AP Photo/Ted S. Warren

Was passiert bei einem Parteitag?

Seit Ende der 1950er-Jahre die ersten Nominierungsparteitage der Republikaner und Demokraten ("nominating conventions") im Fernsehen übertragen wurden, geht es tendenziell eher um Show – zugeschnitten auf das Fernsehpublikum – als um politischen Inhalt: Perfekt einstudierte Reden und Videos zielen darauf ab, den Medien und Wählern die Vision der Partei zu vermitteln und natürlich den Präsidentschaftskandidaten der Partei formal zu nominieren. Weniger Aufmerksamkeit erhält hingegen der offizielle Part der Veranstaltung. Im Laufe der drei- bis viertägigen Parteikongresse werden nämlich auch Ausschussmitglieder bestimmt, Parteistatuten ratifiziert und die sogenannten "policy platforms" – die politische Agenda – verabschiedet. Mit dem Bedeutungsverlust des Nominierungsparteitags in den letzten Jahrzehnten hat jedoch auch das öffentliche Interesse an ihnen abgenommen: Wurden die Parteitage zunächst noch durchgehend live übertragen, beschränken sich die meisten Fernsehsender heute auf eine begrenzte Sendezeit.

Democratic National Convention

Was versteht man unter den "policy platforms"?

Die "policy platform" ist ein politisches Papier, das als Parteiprogramm verstanden werden kann. Die Schriftstücke können rund 100 Seiten umfassen und beinhalten die Prioritäten und politischen Leitlinien der Partei. Die Plattformen bestehen aus den sogenannten "planks", die bestimmte Themenblöcke adressieren. Das Wort "plank" (Brett) ist eine metaphorische Anlehnung an eine einfache Bühne, die aus Holzbrettern zusammengezimmert wird. Das Schriftstück selbst wird bereits vorab verfasst, jedoch in Unterausschüssen während der Parteitage diskutiert und gegebenenfalls abgeändert, bevor es – meist am zweiten Tag der Veranstaltung – verabschiedet wird. Die Schriftstücke stellen zudem einen Versuch dar, Gräben innerhalb der Partei zuzuschütten. Das knappe Rennen zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders sowie die Polarisierung während des Vorwahlkampfs führten dazu, dass Sanders und seinen Unterstützern ein relativ großes Mitspracherecht bei der Gestaltung des Parteiprogramms ("party platform") der Demokratischen Partei eingeräumt wurde – bei einigen zentralen Punkten wie Mindestlohn und Krankenversicherung hat Sanders sich bereits durchgesetzt.

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Bernie Sanders hat zwar die Vorwahl gegen Hillary Clinton verloren, konnte ihr aber einige wesentliche Zugeständnisse abringen.
Foto: REUTERS/Elijah Nouvelage

Wer nimmt am Parteitag teil?

Grundsätzlich hat jede Partei eigene Regeln für die Teilnahme am Nominierungsparteitag. Allgemein haben jedoch alle US-Bundesstaaten und Territorien eine bestimmte Zahl an stimmberechtigten Vertretern, die Delegierten, die beim Nominierungsparteitag ihre Stimme abgeben. Jede Partei hat in diesem Zusammenhang ein anderes System, um deren Anzahl festzusetzen. Die Delegierten selbst stellen aber nur einen Bruchteil der Teilnehmer am Parteitag dar. Der Großteil – wie Medienvertreter, Parteifunktionäre, Aktivisten, Stargäste, internationale Beobachter und Wirtschaftsvertreter – hat wenig bis gar nichts mit dem offiziellen Teil der Veranstaltung zu tun.

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Viel Show: Bei den Parteitagen treten heute neben den Kandidaten auch Stargäste auf – wie hier Sheryl Crow bei der Democratic National Convention 2008 in Denver, Colorado.
Foto: EPA/MATTHEW CAVANAUGH

Wann fand der erste Nominierungsparteitag statt?

Der erste Parteitag wurde 1831 von einer Partei abgehalten, die es heute nicht mehr gibt: von der "Anti-Masonic Party" (Anti-Freimaurer-Partei). Bei den ersten Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten zwischen 1796 und 1824 gab es weder Parteitage noch Vorwahlen, und die Präsidentschaftsbewerber wurden von den Kongressabgeordneten der Parteien bestimmt. Da dieses Prozedere – der sogenannte "King Caucus" – einen Großteil der Wählerschaft von der Teilnahme ausschloss, wurden bald Stimmen für Reformen laut. Als Folge dieser Reformbewegungen wurde die erste "Drittpartei" der USA gegründet, die "Anti-Masonic Party", die jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht über Kongressabgeordnete verfügte. Um den Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, war daher ein formelles Treffen notwendig. Nach diesem ersten Parteitag der "Anti-Freimaurer-Partei" Ende September 1831 führten die Demokratische und Republikanische Partei die Tradition fort und veranstalteten erstmals 1832 beziehungsweise 1856 Parteitage.

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Thomas Jefferson wurde als einer der ersten US-Präsidenten noch im sogenannten "King Caucus" von Kongressabgeordneten nominiert, bis 1831 die "Anti-Masonic Party" erstmals Nominierungsparteitage abgehalten hatte.
Foto: AP Photo/File/Rembrandt Peale

Warum hat sich der Nominierungsprozess verändert?

Um die Entscheidung über die Präsidentschaftskandidatur einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und den Einfluss der Parteielite zu beschränken, wurde der Nominierungsprozess zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Einführung von Vorwahlen reformiert. 1916 führten bereits die Hälfte der US-Bundesstaaten Vorwahlen durch, wobei die Reformen in den Jahrzehnten nach dem ersten Weltkrieg stagnierten oder gar – vorwiegend auf Drängen der Parteieliten – rückgängig gemacht wurden. Der Parteitag der – ob des Vietnamkriegs – tief gespaltenen Demokratischen Partei 1968 löste jedoch tiefgreifende Reformen des Nominierungsprozesses aus. Die Folge dieses turbulenten Parteitags war die sogenannte "McGovern-Fraser Commission", die das Vorwahlsystem wiederbelebte und auch einen weitreichenden Einfluss auf Reformprozesse in der Republikanischen Partei hatte. Durch die schrittweise landesweite Einführung der Vorwahlen verlagerte sich die Entscheidung darüber, wer letztendlich ins Rennen um das höchste Amt im Staat geschickt wird, jedoch immer weiter nach vorne und stand in den vergangenen Jahrzehnten schon vor der offiziellen Nominierung fest. Dadurch hat die Bedeutung der Parteitage abgenommen.

Was ist eine "Contested Convention"?

Eine "contested convention" oder "brokered convention" wird im deutschen Sprachgebrauch oft als Kampfabstimmung bezeichnet. Eine solche findet statt, wenn zum Zeitpunkt der Nominierungsparteitage keiner der Kandidaten die notwendige Anzahl der Delegiertenstimmen auf sich vereinen konnte und so lange abgestimmt werden muss, bis ein Kandidat genug Stimmen hat. Vor der Einführung der Vorwahlen waren daher alle Parteitage Kampfabstimmungen. In den letzten Jahrzehnten standen die Kandidaten daher bereits vor den Parteitagen fest, wenngleich im Wahljahr 2008 Beobachter zunächst auch eine Kampfabstimmung zwischen Hillary Clinton und Barack Obama vorhergesehen haben.

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Rivalen im Kampf um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei: Beobachter sahen im Wahljahr 2008 eine "Contested Convention" zwischen Hillary Clinton und Barack Obama voraus. Obama konnte jedoch schon vor dem Parteitag die notwendige Stimmenmehrheit sichern.
Foto: EPA/MICHAL CZERWONK

Ist eine "Contested Convention" 2016 realistisch?

Auch während dieses Vorwahlkampfs schien eine "Contested Convention" lange realistisch, mittlerweile haben aber sowohl Hillary Clinton bei den Demokraten als auch Donald Trump bei den Republikanern eine Mehrheit an Delegierten auf sich vereinen können. Eine Gruppe von Trump-Gegnern versuchte zwar noch vor dem Parteitag nächste Woche eine Art Gewissensklausel durchzusetzen: Die auf die Ergebnisse der Vorwahlen verpflichteten Delegierten sollten davon entbunden werden, für Trump stimmen zu müssen. Sie erhielten am Freitag allerdings nicht die notwendige Unterstützung von zumindest 28 Mitgliedern des 112-köpfigen "Convention Rules Committee". (Judith Moser, 17.7.2016)