Bei einer Hodendrehung kann die Blutzufuhr komplett unterbrochen werden. Die spermienbildenden Zellen sterben nach spätestens sechs bis acht Stunden ab.

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Bei einer Hodentorsion, wie der Fachausdruck für die Hodendrehung lautet, ist die Blutzirkulation über die versorgenden Gefäße gestört. Nicht rechtzeitig behandelt, kann dies bereits nach sechs bis acht Stunden zum Absterben von Hodengewebe führen. Dauerhaft verminderte Fruchtbarkeit und ein äußerlich beeinträchtigtes Genital sind dann die Folge.

Die Hoden sind, je nach Alter, etwa oliven- bis pflaumengroße Organe, die im Hodensack, dem Skrotum, in voneinander getrennten Fächern des Hodensackes untergebracht sind. Ihre Hauptfunktion besteht darin, männliche Geschlechtshormone wie Testosteron und – mit einsetzender Pubertät – auch Samenzellen (Spermien) zu produzieren.

"Dreht sich der Hoden mit dem Nebenhoden um den Samenstrang, sprechen wir von einer Hodentorsion", erläutert der Bremer Kinderchirurg Christian Lorenz, der die Erstellung einer neuen Leitlinie mit dem Titel "Akutes Skrotum" koordiniert hat. Dabei wird die Blutversorgung des betroffenen Hodens vermindert, was zu plötzlichen, starken Schmerzen, Schwellung und Rötung eines, seltener beider Hodenfächer führen kann. "Hodengewebe ist sehr empfindlich", betont Tobias Schuster, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) und Chefarzt der Kinderchirurgie am Klinikum Augsburg. Ist die Blutzufuhr komplett unterbrochen, sterben die spermienbildenden Zellen nach spätestens sechs bis acht Stunden ab. Die hormonproduzierenden Zellen, die sogenannten Leydig-Zellen, gehen nach etwa zwölf Stunden zugrunde – es droht der Verlust des Hodens.

Sehr bewegliche Hoden

Hodentorsionen können in jedem Lebensalter auftreten. Ursache sind oft besonders locker befestigte und damit im Hodenfach sehr bewegliche Hoden. Aber auch Kinder mit einem verspäteten, also nicht bis zur Geburt erfolgten Abstieg eines oder beider Hoden in den Hodensack haben ein bis zu zehnfach erhöhtes Torsionsrisiko. "Im Kindes- und Jugendalter gibt es jedoch Besonderheiten gegenüber Erwachsenen, die Diagnose und Therapie erschweren", erklärt Lorenz, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Klinikum Bremen-Mitte.

Dies hängt auch mit den zwei Altersgipfeln der Hodendrehung bei jungen Patienten zusammen: Neben einem kleineren Häufigkeitsgipfel für die Hodentorsion im ersten Lebensjahr sind vor allem Knaben zwischen dem 12. und 18. Geburtstag mit etwa 65 Prozent aller Ereignisse betroffen. Das Risiko zu erkranken, liegt hier bei 1:4000. Während sich die sehr kleinen Patienten noch nicht präzise äußern können, tun betroffene Jungen dies in der Pubertät oft aus Scham nicht – oder zu spät, schildert Lorenz die Problematik. "Dies kann dazu führen, dass die Drehung oft schon Stunden zurück liegt, bis wir die Patienten sehen, und die Prognose für den Hoden trotz zügig eingeleiteter Operation entsprechend schlecht ist." Deshalb sei ein akutes Skrotum immer ein Notfall mit höchster Dringlichkeit.

Für die Diagnose ist eine gründliche Untersuchung des gesamten Genitals und seiner Umgebung entscheidend. Diese sollte immer auch eine Ultraschalluntersuchung einschließlich des sogenannten Farbdopplers beinhalten. "Damit können wir die Qualität der Durchblutung der Hoden überprüfen", so Lorenz. Zudem gelte es, weitere infrage kommende Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen oder sie angemessen zu behandeln. Zu diesen Erkrankungen gehören etwa eine Torsion von Anhangsgebilden an Hoden oder Nebenhoden (sogenannte Hydatiden), Hodenentzündungen oder Hodentumore.

Hoden mit Nähten befestigt

Der Begriff "Akutes Skrotum" gilt als Überbegriff und Leitdiagnose bis zur Sicherung der genauen Ursache für die Beschwerden. "Besteht trotz zeitgerechter Ausschöpfung aller Untersuchungstechniken der geringste Zweifel an einer ausreichenden Durchblutung des betroffenen Hodens, ist eine notfallmäßige operative Eröffnung des betroffenen Hodenfaches mit Inspektion des Hodens und adäquater Therapie die zwingend gebotene Maßnahme", so Bernd Tillig, Präsident der DGKCH aus Berlin.

Bei der Operation wird der betroffene Hoden in seine ursprüngliche Lage zurück gedreht, sodass die Durchblutung wieder möglich ist und der Hoden erhalten werden kann. Auch wird er mit zwei bis drei Nähten gesondert im Hodenfach befestigt; man bezeichnet diesen Teil des Eingriffs auch als Orchidopexie. Die neue Leitlinie empfiehlt die Orchidopexie auch für den bislang unauffälligen Hoden auf der Gegenseite, um so einer möglichen Torsion vorzubeugen.

"Nur wenn der Hoden unwiederbringlich geschädigt ist, muss er entfernt werden", betont Tillig. Eine prothetische Versorgung des leeren Hodenfaches ist heute Teil der Nachsorge für alle Patienten, die einen Hodenverlust erlitten haben und deren Körperwachstum abgeschlossen ist. Dabei setzen die Chirurgen ein Implantat aus Kunststoff ein, das aussieht und sich auch anfühlt wie ein Hoden. (idw, 1.6.2016)