Antje Schrupp plädiert dafür, dass nicht nur die Schwangere, sondern auch der Samenspender die Möglichkeit haben sollte, vom Projekt Kindhaben zurückzutreten.

http://iStockphoto.com/eckert-photo

Kürzlich sprach ich bei einem Thementag des Elternreferats des Allgemeinen Studierendenausschusses (AstAs) an der Uni Mainz über das Schwangerwerdenkönnen, und in der anschließenden Diskussion sorgte eine Fragestellung für Kontroversen, die ich so nicht erwartet hätte: Ob es für Väter (beziehungsweise für die Männer, mit deren Sperma eine Frau schwanger geworden ist) die Möglichkeit eines Opt-out geben sollte. In einem Blogpost oder Text hatte ich das nämlich einmal gefordert und bin auch weiterhin der Meinung, dass das richtig wäre.

Denn während eine Schwangere nach der Zeugung darüber entscheiden kann, ob sie das Kind austrägt oder nicht, hat der Samenspender diese Möglichkeit nicht, da es nicht sein Körper ist, der schwanger ist. Er kann zwar seine Meinung äußern, aber die Entscheidung selbst kann nur die Schwangere fällen. Es sei denn, wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, die die körperliche Selbstbestimmung von Frauen durch Gesetze und Machtverhältnisse unterbindet.

Körperliche Selbstbestimmung von Frauen

Wenn wir uns jetzt aber einig sind, dass das nicht geht und dass auch eine schwangere Person jederzeit über ihren Körper selbst bestimmen darf (und das waren wir in Mainz), bedeutet das eine Ungleichheit zwischen den beiden Zeugenden: Die Frau kann das Kind austragen oder nicht, der Mann muss ihre Entscheidung akzeptieren.

Was bedeutet das nun für die Notwendigkeit, Regelungen für diese Situationen zu treffen? Wie ich an anderer Stelle schrieb, ist die Erfindung des heteronormativen Paares die klassisch-patriarchale Antwort: Jeder Frau wird genau ein Mann zugeordnet. Historisch ist das der Ehemann der Schwangeren, heutzutage ist das der Samenspender (beides muss ja nicht dieselbe Person sein).

Aufgabe der Heteroformation

Meiner Ansicht nach sollte diese Heteroformation aufgegeben werden. Ich plädiere dafür, dass nicht nur die Schwangere, sondern auch der Samenspender die Möglichkeit haben sollte, vom Projekt Kindhaben zurückzutreten. Wählt er das Opt-out, ist er raus, muss sich um nichts kümmern, keinen Unterhalt bezahlen und so weiter. Das kann natürlich nicht bedeuten, dass die Frau allein für das Kind aufkommen muss, aber diesen Part würde dann eben jemand anderer übernehmen – entweder ein freiwilliges Elternteil (im Fall von lesbischen Paaren eine wichtige Möglichkeit) oder die Gesellschaft als ganze, die für finanziellen Unterhalt, Infrastruktur und andere Hilfen aufkommt.

Ich war überrascht, dass doch von zahlreichen Diskutant_innen vehementer Widerspruch gegen dieses Modell kam. Sie bestanden darauf, dass der Samenspender die Verantwortung nicht ablehnen dürfe. Mein Argument mit der Ungerechtigkeit, die darin liege, dass er – anders als die Schwangere – nach einer erfolgten Zeugung keine Entscheidungsmöglichkeit mehr hat, sei nicht stichhaltig, denn mit dem Vollzug eines ungeschützten Geschlechtsverkehrs habe er implizit in die Vaterschaft eingewilligt.

Möglichkeit, aus der Beziehung auszusteigen

Mich überzeugt das nicht wirklich, denn dieses Argument ließe sich auch Frauen, die abtreiben, entgegenhalten. Außerdem würde ich die Opt-out-Möglichkeit auch auf die schwangeren Frauen ausweiten: Sie müssten ebenfalls die Möglichkeit haben, aus der Beziehung zum Samenspender auszusteigen – Vaterschaft setzt meiner Ansicht nach nicht nur eine Spermaspende, sondern auch die Einwilligung der Schwangeren voraus, mit dem Samenspender eine Beziehung haben zu wollen. Denn das ist im Fall gemeinsamer Elternschaft ja unvermeidbar.

Ich finde, es gibt sowohl aufseiten der Männer als auch aufseiten der Frauen eine Vielzahl von möglichen Gründen, die gegen eine gemeinsame Elternschaft von Samenspender und Schwangerer sprechen. Positiv und für alle Beteiligten (speziell auch das Kind) fruchtbar wird eine gemeinsame Elternschaft nur verlaufen, wenn alle Beteiligten sich freiwillig und mit guten Absichten dafür entscheiden – und selbst dann kann hinterher noch vieles schieflaufen.

Freiwillig die Elternschaft teilen

Männer, die Väter werden wollen, müssen dafür eben eine vertrauensvolle Beziehung zu einer Frau aufbauen, die freiwillig darin einwilligt, mit ihnen die Elternschaft zu teilen. Und Frauen, die einen Vater für ihr Kind haben wollen, müssen dafür eben eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Mann aufbauen, der freiwillig darin einwilligt, die Elternschaft mit ihnen zu teilen.

Ist eine solche vertrauensvolle und auf völliger Freiwilligkeit basierende Beziehung zwischen den beiden Erwachsenen nicht vorhanden, ist meiner Ansicht nach eine gemeinsame Elternschaft auch nicht sinnvoll. Und wir als Gesellschaft sollten für diese Fälle Alternativen bereitstellen. (Antje Schrupp, 10.6.2016)