Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) während der Pressekonferenz am Donnerstag.

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Wien – Innenminister Wolfgang Sobokta (ÖVP) will, dass ein Entwurf zur Notverordnung, die bei Erreichen der Obergrenze in Kraft treten soll, noch vor dem Sommer in Begutachtung geht. Bei Eintreten des Notstands könnten Flüchtlinge, die nicht an der Grenze, sondern innerhalb des Landes Asyl beantragen wollen, bis zu 14 Tage in Polizeianhaltezentren festgehalten werden.

Besagte Verordnung hätte ein völliges Umkrempeln des österreichischen Asylwesens zufolge: Viele Flüchtlinge würden dann bereits an den österreichischen Grenzstationen zurückgewiesen – dies aber noch auf ausländischem Gebiet, sodass laut Innenministerium "die Behörden des anderen Landes für sie zuständig sind".

"Anhaltung" von Asylsuchenden

Jenen Asylsuchenden wiederum, die unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Land kommen und hier zum Beispiel im Lager Traiskirchen einen Asylantrag zu stellen versuchen – wie es viele Flüchtlinge derzeit nach wie vor tun -, würde dann Freiheitsentzug ins Haus stehen. Die "Anhaltung" soll in einem Polizeianhaltezentrun (Paz) stattfinden: dort, wo jetzt unter anderem Schubhäftlinge eingesperrt sind.

Als Haft gilt der geplante Freiheitsentzug für Flüchtlinge, nur weil sie Flüchtlinge sind, laut Gesetz nicht. Die Frage, ob eine solche Anhaltung menschenrechtswidrig wäre, würde laut Christoph Riedl, Leiter des Diakonie-Flüchtlingsdienstes, in weiterer Folge "wohl ein Fall für die Höchstgerichte".

Sobotka als Asyl-Pädagoge

Bei einer Pressekonferent Donnerstagvormittag hatte Sobotka erstmals seine pädagogischen Fähigkeiten Innenminister Wolfgang Sobotkas (ÖVP) zum Vorschein kommen lassen. Zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Wolfgang Taucher, setzte der frühere Musiklehrer und Dirigent an, um den anwesenden Medienvertretern einige im heimischen Asylwesen relevante Begriffe zu erläutern.

Für die Flüchtlingsobergrenze – oder, wie es von SPÖ-Seite heißt, den Richtwert – von heuer höchstens 37.500 Asylfällen seien alle zugelassenen Asylverfahren relevant, sagte Sobotka. Das ergebe sich aus der Formulierung der Bund-Länder-Gemeinden-Übereinkunft beim Asylgipfel am 21. Jänner sowie einem Ministerratsbeschluss von 30. März: In einem "Planungszeitraum von vier Jahren" seien "degressiv" heuer höchstens 37.500, 2017 höchstens 35.000, 2018 höchstens 30.000 und 2019 höchstens 25.000 Flüchtlinge "zum Asylverfahren zuzulassen", heiße es in beiden Dokumenten.

Gleich berechnet reicht nicht

Damit befleißigte sich Sobotka einer Obergrenzen-Lesart, die jener von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vor drei Tagen, als der Asylzahlenstreit begann, nicht widerspricht – wenn sich Kern auch begrifflich sowie, was die Zahl anging, höchst unpräzise ausdrückte. Doch trotz ähnlicher Interpretation kommt er nicht zum selben Ergebnis.

Während der rote Regierungschef am Dienstag nach dem Ministerrat von heuer "rund 11.000 Asylberechtigten" sprach – und wohl die heuer bereits zugelassenen Asylverfahren meinte –, kam der schwarze Minister auf 18.950 zu berücksichtigende Fälle: weil Sobotka zu den heuer gestellten und zugelassenen Asylverfahren die zugelassenen Verfahren nach Asylanträgen im Vorjahr dazu rechnet.

Beide Lesarten okay

Nun erscheinen nach genauem Durchlesen der oben genannten Asylgipfel- und Ministerratsbeschlüsse durchaus beide Lesarten für berechtigt. Doch damit sind die Meinungsverschiedenheiten zwischen SPÖ und ÖVP in Sachen Flüchtlinge nicht ausgeräumt.

Sämtliche Zahlenspiele nämlich sind nur in Hinblick auf eine Frage von Bedeutung: Wann wird davon ausgegangen, dass in Österreich wegen der Flüchtlinge die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit in Gefahr sind? Wann wird dann entsprechend dem seit Juni in Kraft befindlichen Asylgesetz eine Notverordnung beschlossen, laut der in Österreich dann nur noch ein Bruchteil aller Asylantragsteller ein Asylverfahren bekommt?

Bundeskanzleramt gegen Eile

Dies solle so rasch als möglich geschehen, meinte dazu Sobotka: eine Eile, der man im Bundeskanzleramt mit inhaltlichen Vorgaben entgegnet. Nicht nur dass Kanzler Kern selbst am Donnerstag – bei seiner ersten Rede im Bundesrat – zur "Entemotionalisierung" der Asyldiskussion aufrief.

Eine Notverordnung habe nur dann Sinn, wenn die Notsituation darin auf eine Art erläutert werde, "die auch vor dem Europäischen Gerichtshof hält", heißt es darüber hinaus aus seinem Amt. Ob derzeit von einer solchen Situation ausgegangen werden könne, sei jedoch zweifelhaft. (Irene Brickner, 2.6.2016)