Diese Nacht war es wieder besonders unruhig. Fünf Mal ist Francisco dos Santos hochgeschreckt. Die Lastwagen der illegalen Holzfäller waren unterwegs. Sie donnerten an seinem Haus vorbei, das nur wenige Kilometer von der Bundesstraße nach Santarém entfernt liegt. Manchmal kann er auch die Motorsägen hören. Dann weiß er, wieder hat ein Nachbar das geschützte Tropenholz an die Spekulanten verhökert. "In den letzten Jahren haben die Konflikte hier zugenommen", sagt dos Santos. "Wer nicht mitmacht, wird bedroht und angegriffen."
Auch wenn die brasilianische Regierung auf internationalem Parkett den Kampf gegen die Regenwaldabholzung verspricht, die Vernichtung geht weiter. Durch den Kahlschlag wird im Amazonas alle acht Sekunden eine Fläche von der Größe eines Fußballplatzes gelichtet, jedes Jahr ein Gebiet so groß wie Belgien.
Die Holzfäller müssen sich nicht einmal Mühe geben, ihre Verbrechen zu verschleiern. Am helllichten Tag, überladen und ohne Nummernschild rollen die Laster die wenigen Straßen im Amazonas entlang. Die wertvollen Hölzer werden in den Häfen von Santarém, Manaus oder Belém verladen. Polizei und Zoll schauen meist weg, sie wollen sich nicht mit der Holzfällermafia anlegen. Mehr als 80 Prozent des Amazonas-Holzes sind laut Greenpeace illegal geschlagen, auch wenn die brasilianische Regierung das Gegenteil behauptet und das Holz sogar lizenziert. Die stetig steigenden Holzpreise bieten einen zusätzlichen Anreiz.
Beliebter Ipê-Baum zu Spottpreis
Francisco dos Santos hat in einer entlegenen Gemeinde weiter flussabwärts des Rio Tapajós gewohnt. Er hat als Taglöhner auf einer Fazenda gearbeitet. Vor 22 Jahren ist er nach Nova Cana gekommen. "Wir haben gehört, hier gibt es noch Land. Da haben wir uns aufgemacht", erinnert er sich.
Etwa 80 Hektar nicht bewirtschaftetes Land wurden mit der Agrarreform pro landlose Familie verteilt. Doch nur 20 Prozent der Fläche dürfen von den Bauern gerodet werden. Der Rest muss aus Naturschutzgründen erhalten bleiben. "Wir leben mit und von der Natur. Ich verstehe nicht, wie man sich mit den illegalen Holzfällern einlassen kann", sagt er und schüttelt dabei den Kopf.
Besonders beliebt sei der Ipê-Baum, berichtet der 59-Jährige. Das Holz gilt als das härteste weltweit und ist äußerst witterungsresistent. Es landet meist als hochwertige Diele oder Sitzgarnitur auf Terrassen. Etwa 50 bis 90 Reais (zwölf bis 22 Euro) zahlen die Holzfäller für einen 20 Meter hohen Baum an die Bauern. Ein Spottpreis, denn allein eine Standard-Diele kostet im europäischen Baumarkt im Durchschnitt zwölf Euro.
Polizei bleibt untätig
Antonio José Bentes lebt weiter im Inneren des Amazonas-Gebietes, in Princesa Isabela. Nur eine Sandpiste ist die Verbindung zur Außenwelt. Früher führte der Weg durch dichten Regenwald. Doch die Urwaldriesen sind schon lange abgeholzt worden. Beißender Rauch setzt sich in der Nase fest. Viehzüchter brennen das Unterholz ab, um illegale Weideflächen zu schaffen. "Die Hälfte der Bewohner haben die Bäume auf ihrer Parzelle an illegale Holzfäller verkauft", sagt Bentes.
Einige hätten den Holzfällern auch gleich ihr ganzes kleines Grundstück überlassen. Wenn die Bäume weg sind, kommen die Viehzüchter. "Und dann, was passiert dann?", fragt Bentes, der auch Gemeindevorsteher ist. Viele Familien seien in die Stadt gegangen, aber nach fünf Monaten zurückgekommen "mit nichts in der Hand". Er selbst sei von der Holzmafia bedroht und eingeschüchtert worden. Dann habe er bei der Polizei und der Umweltbehörde Ibama Anzeige erstattet. "Es ist nichts passiert, im Gegenteil. Jetzt meidet man uns im Dorf", meint er verbittert.
"Einhergehend mit Gewalt"
"Es gab schon immer illegale Abholzung und damit einhergehende Gewalt", sagt auch Gilson Rego vom Landpastoral (Comissão Pastoral da Terra) in Santarém. "Man kann den Kleinbauern nicht die Schuld geben, wenn der brasilianische Staat gleichzeitig Kriminelle beschützt." Für ihn ist wichtig, auch international auf die Machenschaften der Holzmafia aufmerksam zu machen und für eine seriöse Zertifizierung zu kämpfen. "In Europa sind viele Holzhersteller jetzt vorsichtig geworden. Aber in China schert sich keiner darum", sagt er.
Für Umweltschutzorganisationen gibt es nur ein glaubwürdiges Siegel: Das Kürzel FSC steht für Forest Stewardship Council und ist das internationale Zertifikat für nachhaltige Forstwirtschaft. "Wer sich als Verbraucher nicht an der Vernichtung wertvoller Urwälder beteiligen will, kann nur auf dieses Siegel zurückgreifen", betont auch Martin Kaiser, Waldexperte von Greenpeace.
Früher haben die Umweltverbände zu einem kompletten Tropenholzboykott aufgerufen, was sich als realitätsfern und als politischer Fehler herausstellte. 1993 wurde deshalb nach dem Umweltgipfel in Rio das Zertifikat FSC gegründet. (Susann Kreutzmann aus Santarém, 4.6.2016)