Dirigent und Komponist Vijay Upadhyaya: "Anton Bruckner zu dirigieren ist ein besonderes Gefühl! Dessen Musik steigt gewissermaßen wie ein Ungeheuer aus dem Meer, wie ein Tier!"

Foto: Maria Noisternig

Wien – Ja der alte Bruckner! Fällt der Name des romantischen Symphonikers, zeigt Vijay Upadhyaya Symptome staunender Begeisterung über so Grandioses wie Unheimliches. "Anton Bruckner zu dirigieren ist ein besonderes Gefühl! Dessen Musik steigt gewissermaßen wie ein Ungeheuer aus dem Meer, wie ein Tier", erklärt Upadhyaya und denkt womöglich an Bruckners Achte. Ebendiese wird er am Mittwoch im Wiener Konzerthaus mit seinem Orchester der Uni Wien aufführen – das Werk eines "großen Vorbildes".

Upadhyaya, der vor nunmehr fast 30 Jahren nach Österreich kam, tat dies ja eher in der Absicht, Komponist zu werden, wobei die Zuneigung zu Bruckner anfangs auch die eigene Tonsprache okkupiert hatte. "Ein Professor in Graz hat mich – ich war damals 20 – ermahnt, einen eigenen Stil zu entwickeln, gefälligst nicht Bruckner zu imitierten."

Das klingt jetzt etwas unfreundlich, und sicher waren die ersten Jahre in Graz, wohin es ihn mit einem Stipendium 1987 verschlug, "keine leichte Umstellung. Meine früh verstorbene Mutter hatte mir gesagt, wenn ich klassischer Musiker werden wolle, müsse ich aber nach Österreich. Also kam ich. Letztlich habe ich aber totale Herzenswärme und Integration erfahren. Als unsicherer Außenseiter wurde ich motiviert zu kommunizieren. Ja, man muss seinen Arsch bewegen. Aber dann geht es, wobei ich Glück hatte. Ich war gut aufgehoben, wurde aufgebaut, in Indien wäre das nie so passiert. Man hat mir hier das Gefühl gegeben, cool zu sein."

Da gab es zum Beispiel einen Lehrer für Kirchenmusik, er war Priester. Und er hat, so Upadhyaya, ein ganzes Jahr lang das Stipendium für den Schüler bezahlt, was dieser erst Jahre später erfahren sollte. Mittlerweile sind nun aber einige Jahre ins Land gezogen, längst ist Upadhyaya selbst global künstlerisch-pädagogisch tätig. Als eine seiner zentralen "Kompositionen" darf dabei die Reaktivierung der Unichöre und der -orchester betrachtet werden.

Ohne Substitute

"Es ist ein bisschen kurios: Da musste ein Inder daherkommen, um diese universitäre Tradition wiederzubeleben, die es schon zu Bruckners Zeit gab. Ja, das ist schon mein Baby, bis zu 1000 Leute sind bei dem Projekt dabei, wir geben etwa 50 Konzerte jährlich, und man darf sagen, dass die Motivation schon positiver ist als bei Profiorchestern. Natürlich: Bei Bruckners Achter brauchst du mit Profis vier bis fünf Proben. Wir machen zehn, man muss das pädagogisch aufbauen. Die letzten vier Proben sind aber dann wie mit den Profis." Für die Unitruppe sei der Bruckner vergleichsweise "fast ein kleines Werk", scherzt Upadhyaya. Im Vorjahr habe man schließlich Mahlers achte Symphonie aufgeführt: "Wir sind die Einzigen, die das ohne Substitute stemmen können!"

Die Aktivitäten des in Lucknow in Indien Geborenen muten auch selbst an wie die üppige Symphonie eines Weltenbummlers. Upadhyaya hat für das Kulturforum zahllose Musikprojekte betreut; er ist Gastdirigent der China National Symphony und des Symphonieorchesters in Chile. Auch ist er im Kreis jener Experten vertreten, der über EU-Förderungen entscheidet.

Bald geht es zudem "nach Tadschikistan, an die afghanische Grenze – ich mache vorher noch mein Testament ... Ich schreibe ja im Auftrag der Aga-Khan-Stiftung ein Werk über Christentum, Islam und Migration." Nicht zu vergessen ein Projekt in Indien im Zusammenhang mit den BRICS-Staaten. "Das wird eine große Konzertserie. Musiker aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sind beteiligt, ein Konzert findet auch vor dem Taj Mahal statt."

Vielleicht "reaktionär"

Die Liste ließe sich fortsetzen, aber wo bleibt das Komponieren? "Die zweite Symphonie wird kommen, grundsätzlich sehne ich mich nach mehr Zeit für diese eher kontemplative Tätigkeit. Aber was soll man nur mit Komponieren? Ich bin vielleicht auch ein reaktionärer Komponist, da ich nicht so atonal und intellektuell schreiben möchte, dass keiner es mehr hören will. Ich höre ethnische Musik, auch Pop und Jazz. Wer sagt, dass das so steril nebeneinanderstehen muss! Warum muss es so separiert werden?", fragt sich Upadhyaya und bekundet, eher die Fusion von Stilen anzustreben. "Ich beziehe auch indische Rhythmen ein. Ich muss aber aufpassen, dass meine Musik nicht zu dicht, zu theoretisch wird." (Ljubiša Tošić, 7.6.2016)