Nach Südeuropa sind Migranten vor Ausbruch der Krise gekommen, weil es Jobs gab. Das wirkt sich in der Statistik bis heute aus.

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Wien – Wer dieser Tage eine Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in Wien-Meidling oder Wien-Favoriten besucht, stellt fest, dass in den Warteschlangen fast ebenso viel Türkisch und Serbisch gesprochen wird wie Deutsch. Kein Wunder. Die Zahl der Arbeitslosen in Österreich ist in den vergangenen Monaten stark angestiegen. Doch sind davon Migranten überproportional betroffen. In Wien etwa sind inzwischen 40 Prozent der arbeitslos gemeldeten Menschen ausländische Staatsbürger. Österreichweit ist etwa jeder dritte Arbeitssuchende kein Inländer.

Eine am Montag veröffentlichte Publikation der EU-Statistikbehörde Eurostat veranschaulicht, dass in ganz Europa unter der Wirtschaftsflaute Migranten am meisten leiden. So ist die Arbeitslosenquote europaweit unter Ausländern mehr als doppelt so hoch als unter EU-Bürgern.

Erwerbsquoten von Migranten

Eurostat präsentiert auch einen interessanten Vergleich der Erwerbsquoten von Migranten. Diese Zahl ist ein Gradmesser dafür, wie gut die Integration am Arbeitsmarkt gelingt. In die Erwerbsquote werden sowohl Menschen eingerechnet, die einen Job haben, als auch jene, die eine Arbeit suchen. Erfasst werden also alle 20- bis 64-Jährigen, die dem Arbeitsmarkt aktiv zur Verfügung stehen und nach einer wirtschaftlich produktiven Tätigkeit streben. Nun zeigt sich, dass die Erwerbsquote unter Migranten in vielen Ländern deutlich unter den Werten für Inländer liegt (siehe Grafik). Österreich schneidet im Vergleich auf den ersten Blick sogar besonders schlecht ab. Unter Inländern beträgt die Erwerbsquote 80 Prozent, bei Migranten aus einem Drittland 66 Prozent.

In beiden Fällen ist die Erwerbstätigkeit also der Regelfall, was aber sind die Ursachen für diese große Divergenz? Einen Einfluss auf die Statistik hat, ob Frauen das Interesse und die Möglichkeit zu arbeiten haben. Die größte Gruppe der Nicht-EU-Bürger in Österreich bilden die Türken noch vor den Serben und Bosniern. 115.000 türkische Staatsbürger leben laut Statistik Austria dauerhaft in Österreich.

Sei es kulturell oder traditionell bedingt, der Anteil der Türkinnen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, ist gering. Während die Erwerbsquote der türkischen Männer bei 66 Prozent liegt, beträgt sie unter türkischen Frauen nur 36,2 Prozent. Die Geburtenrate unter Türkinnen ist laut Demografen höher als unter Österreicherinnern. Die zusätzlich benötigte Zeit für Kinderbetreuung dürfte sich in der Statistik ebenfalls widerspiegeln.

Frustriert von der Jobsuche

Laut Thomas Liebig, dem Migrationsexperten bei der Industriestaatenorganisation OECD, müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden. Wer lange keinen Job findet, wird frustriert und verliert häufig die Lust an der Stellensuche. So steigt die Gefahr, dass man sich vom Arbeitsmarkt abwendet, wenn sich das finanziell ausgeht. Da wie erwähnt Migranten in Österreich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Inländer, trifft sie dieses Phänomen härter.

Dass Migranten am Arbeitsmarkt derzeit besonders kämpfen müssen, hat mehrere Ursachen. Wegen ihrer sprachlichen Defizite, aber auch ihrer häufig geringeren Qualifikation kommen Ausländer in Österreich oft nur im Niedriglohnsektor unter. Dort ist die Jobkrise derzeit am deutlichsten zu spüren. Auch Diskriminierung spielt eine Rolle, wie Forscher der Johannes-Kepler-Universität und des Instituts für Höhere Studien kürzlich in einer Studie gezeigt haben. Wer in Österreich einen ausländischen Namen hat, wird selbst bei gleicher Qualifikation seltener zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.

Trotz der Probleme kann man auf Basis der Eurostat-Zahlen nicht sagen, dass sich Österreich im europäischen Vergleich mit der Integration von Migranten schwerer tut als andere Länder.

Verzerrte Statistik

Länder wie Ungarn, Slowenien oder die Slowakei verzerren die Statistik. In diesen Staaten gibt es nämlich nur sehr wenige Ausländer am Arbeitsmarkt. In Südeuropa, Griechenland und Spanien, ist die Erwerbsquote von Migranten höher als von Inländern. Dort liegt das daran, dass in den vergangenen 20 Jahren fast nur Arbeitsmigranten eingewandert sind, die nur kamen, weil es Jobs gab, sagt OECD-Experte Liebig. In Ländern wie Österreich oder Deutschland spielt der Familiennachzug eine viel stärkere Rolle. (András Szigetvari, 7.6.2016)