Wien – ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka beharrt weiter darauf, eine seiner beiden Kandidatinnen als Rechnungshof-Präsidentin durchzusetzen – auch gegen den Willen der SPÖ. Ein Koalitionsbruch wäre das seiner Ansicht nach "überhaupt nicht". Nicht umsonst gebe es die Einigung auf ein Hearing im Parlament zur Findung der bestgeeigneten Person, sagte er am Dienstag vor dem Ministerrat.

"Wir wählen ja nicht den Pressesprecher der Regierung", sagte Lopatka zur Frage, warum man sich nicht um einen gemeinsamen Koalitionskandidaten bemüht habe. Der Rechnungshof sei ein Hilfsorgan des Parlaments, nicht der Regierung. Könnte sich die Regierung den RH-Präsidenten aussuchen, wäre das "Bananenrepublik".

Keine Absprachen mit anderen Fraktionen

Absprachen mit anderen Fraktionen zur Durchsetzung der aus dem FPÖ-Umfeld stammende ÖVP-Kandidatin Helga Berger gebe es nicht. "Das ist nicht so", sagte Lopatka. Er habe auch nicht mit dem Team Stronach gesprochen. Dessen eine Stimme im Hauptausschuss wäre gemeinsamen mit jenen von ÖVP und FPÖ zur Durchsetzung Bergers notwendig.

Allerdings müsse dies die andere Seite getan haben so Lopatka. Anders wäre aus seiner Sicht nicht zu erklären, dass auch das Team Stronach den SPÖ-Kandidaten Gerhard Steger nominiert habe. Relevant ist das aus Lopatkas Sicht aber nicht. "Ich bin überzeugt, dass die SPÖ eine unserer Kandidatinnen unterstützen wird", meinte er zu Berger und der Direktorin des steirischen Landesrechnungshofs, Margit Kraker.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder kritisiert das "miese taktische Spiel" seines ÖVP-Amtskollegen Lopatka bei der Bestellung des neuen Rechnungshofpräsidenten. Am liebsten wäre ihm, die Koalitionsparteien hätten sich gemeinsam mit einer oder mehreren Oppositionsparteien auf eine Person geeinigt. Nun soll der oder die am besten Qualifizierte gefunden werden.

Schieder: "Tricksender ÖVP-Generalsekretär"

"Offen gesagt bin ich etwas überrascht, dass der ÖVP-Klubchef in seiner Giftküche sitzt und versucht, Zwietracht zu säen und ein billiges, mieses taktisches Spiel zu spielen", zeigte sich Schieder über Lopatkas jüngste Aussagen verärgert. Viele in dessen Partei würden diese Vorgangsweise ablehnen "und lieber einen konstruktiven Weg gehen", meinte der SPÖ-Klubobmann am Dienstag im Gespräch weiter.

Die SPÖ jedenfalls gehe den "konstruktiven Weg, weil uns ist die Funktion des Rechnungshofpräsidenten wichtiger als taktische Spielchen", so Schieder. Man werde sich daher nach dem Hearing am Mittwoch überlegen, welcher der Kandidaten von der Ausbildung, der Objektivität und der notwendigen Distanz und Akzeptanz die Aufgabe am besten erfüllen kann. "Ich halte nichts davon, dass Lopatka leichtfertig damit umgeht. Das zeigt wes Geistes Kind er ist", der Klubchef sei offenbar "noch nicht emanzipiert von der Rolle des tricksenden ÖVP-Generalsekretärs unter Schwarz-Blau", stellte Schieder fest.

Zum etwaigen Koalitionsbruch wollte sich Schieder nicht äußern. Nun gehe es zunächst um das Kandidatenhearing, wichtig sei, dass sich der neue Präsident oder die Präsidentin auf eine möglichst breite Mehrheit von Regierungs- und Oppositionsabgeordneten stützen könne.


(APA, 7.6.6.2016)