Australien "ist für uns ganz bestimmt kein Vorbild". Mit knappen Worten skizziert Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), was er vom Vorschlag von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Flüchtlinge auf griechischen Inseln zu internieren, hält: nichts. Und auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ging nach einer längeren Diskussion im Ministerrat schließlich auf Distanz zum australischen Modell, nicht aber zu dessen Befürworter: Das ÖVP-Team stehe geschlossen hinter Kurz, dieser habe "eine ganz wichtige Bewusstseinsbildung" angestoßen. Doch entspreche die von Kurz angeregte Insellösung im Grunde bereits dem, was die EU mit der Türkei ausgehandelt habe. Von einer pazifischen Lösung will der Vizekanzler jedenfalls nicht sprechen: "Bereinigen Sie den Vorschlag um die zwei Worte 'australisches Modell'", sagt Mitterlehner vor versammelter Presse.

"Dieser Vorschlag ist, glaube ich, wirklich kein Best-Practice-Vorschlag", sagte SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda zu Kurz. "Europa ist halt keine Insel." Man müsse Lösungen im Einvernehmen "mit den europäischen Partnern" anstreben, mit diesen zu diskutieren, sei auch "viel sinnvoller und klüger".

Auch andere SPÖ-Regierungsmitglieder äußerten sich kritisch. Für Sozialminister Alois Stöger stellt sich die Frage, auf welchem Menschenbild Kurz' Aussagen basieren. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser verwies auf die breite Kritik von Menschenrechtsorganisationen. "Der Vorschlag ist nicht durchdacht", meinte auch Staatssekretärin Muna Duzdar. Österreich sei nicht Australien. Folgte man diesem Vorbild, bedeutete dies das Einsperren von Frauen und Kindern. Sie treffe sich mit Kurz nur in der Überzeugung, dass es legale Fluchtmöglichkeiten geben müsse.

"Erfolg der Regierung"

Lediglich SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil kann den Vorschlägen von Kurz Positives abgewinnen. Er unterstrich die Bedeutung einer europäischen Lösung, der Rechtsstaatlichkeit und des gemeinsamen Bemühens, Tote im Mittelmeer zu vermeiden. Wenn man unter Berücksichtigung all dessen eine gemeinsame Linie finde, "würde ich das auch als Erfolg der Regierung sehen", sagte er.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) kann mit dem Vorschlag von Kurz "gar nichts" anfangen: "Ich halte das für extrem verwegen." Abgesehen davon sei dies verfassungswidrig. "Der Herr Außenminister wird selber wissen, was er als Minister der Republik Österreich mit solchen Vorschlägen, die sich weit außerhalb der Verfassungsbestimmungen der Republik befinden, sich selbst für ein Zeugnis ausstellt", sagte Häupl.

Karas: Beispiel Australien "schlecht gewählt"

Auch die österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament diskutierten am Dienstag über den Vorschlag von Kurz. Das Beispiel Australien sei "schlecht gewählt", sagte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. "Ich bedauere, dass er das genannt hat, weil es dem Völkerrecht und EU-Recht widerspricht."

Bei den Grünen ist man "entsetzt": "Internierungslager sind was für Kriminelle. Flüchtlinge sind keine Kriminellen", erklärte die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Ulrike Lunacek. Der SPÖ-Abgeordnete Josef Weidenholzer tat die Äußerungen von Kurz als einen seiner "häufigen Profilierungsversuche" ab.

Kritik vom Vatikan

Kritik kam am Dienstag sogar vom Vatikan. Flüchtlinge auf einer Insel zu internieren sei "menschenunwürdig", sagte Antonio Maria Veglio, Präsident des päpstlichen Migrantenrats, gegenüber Radio Vatikan.

Auch Menschenrechtsexperte Manfred Nowak hält Sebastian Kurz' Vorschlag, Bootsflüchtlinge auf Inseln zu internieren, für "keine gute Idee". Australien sei für diese Politik "zu Recht heftig kritisiert worden". Europa würde "mit diesem Konzept den Flüchtlingen ihr Menschenrecht, Schutz vor Verfolgung zu suchen und einen Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu bekommen, verletzen". Außerdem stelle die Internierung von Asylwerbern eine "Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit" dar.

Der Tiroler Europa- und Völkerrechtsexperte Walter Obwexer sähe durch kollektives Abweisen ohne – zumindest kurzes – Verfahren einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. (spri, sterk, tom, völ, 7.6.2016))