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Versprechungen der chinesischen Regierung zu mehr Marktöffnung und fairem Wettbewerb seien nur vordergründig gewesen, kritisieren Unternehmer aus der EU. Im Hintergrund schreite der Umbau zu langsam voran.

Foto: AP/Andy Wong

Als Jörg Wuttke, Chef der EU-Handelskammer in Peking, im Jahr 2014 für eine Studie zum Geschäftsklima von den Mitgliederunternehmen wissen wollte, ob für sie die "goldenen Zeiten" in China vorbei sind, wurde er dafür angefeindet – die Frage provoziere unnötig. Zwei Jahre später ist die Aussage mehrheitsfähig: 2016 halten mehr als die Hälfte aller befragten EU-Unternehmen (55 Prozent) die goldenen Zeiten für passé, neun Prozentpunkte mehr als 2014. Nur noch 47 Prozent planen, ihre Geschäfte auszuweiten. 2013, als Chinas neue Führung mit vielen Reformversprechen an die Macht kam, waren es noch 86 Prozent.

Noch nie war der Pessimismus unter europäischen Unternehmern in der Volksrepublik so verbreitet. Laut der Business Confidence Survey 2016, die die EU-Handelskammer und die Unternehmensberatung Roland Berger am Dienstag in Peking vorstellten, hat er ein Allzeithoch erreicht. Gerade 44 Prozent glauben noch, dass ihre Unternehmen in den kommenden beiden Jahren weiter wachsen werden; 2014 waren noch 68 Prozent zuversichtlich. Noch schlimmer: Nur 19 Prozent erwarten in diesem Zeitraum mehr Profitabilität für ihr Unternehmen, 26 Prozent mehr Produktivität. 2014 äußerten sich dagegen noch 31 und 37 Prozent über die beiden so wichtigen Indikatoren optimistisch.

"Versprechen nicht eingehalten"

Dabei konnten sich die großteils mittelständischen EU-Unternehmen 2015 auf dem chinesischen Markt behaupten. Der Grund für ihren Frust, sagt Wuttke, ist neben dem langsameren Wachstum Chinas vor allem der Reformstau, der sich überall bemerkbar mache. Chinas seit 2014 gegebene Versprechungen, für mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie zu sorgen, entpuppten sich als Rhetorik. EU-Unternehmen beklagen in der Umfrage, dass sich die entsprechenden Hürden sogar noch vergrößert hätten.

Die Studie kommt zu einem delikaten Zeitpunkt. Am Wochenende fliegt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit sieben Ministern und vier Staatssekretären zur gemeinsamen Kabinettssitzung mit Chinas Staatsrat nach Peking. Die Klagen der EU-Unternehmer reichen von mangelnder Rechtssicherheit und verzerrtem Marktumfeld durch den lokalen Protektionismus über die Binnenverschuldung und die Markteinflüssen durch die Last der Überkapazitäten bis hin zur exzessiven Internetzensur. Diese ist nicht nur ein Ärgernis, sondern wird durch die Verlangsamung der Datenverbindungen auch zum Hemmschuh und Standortnachteil für die Produktion. 58 Prozent der EU-Unternehmen sprechen von negativen Auswirkungen, 17 Prozent mehr als 2015.

"Unfairer Wettbewerb"

Neu ist, dass 70 Prozent der Befragten auch sagen, sich in China aufgrund des unfairen Wettbewerbs weniger willkommen zu fühlen als früher. Ihre Antworten decken sich mit den 77 Prozent US-Unternehmen, die die gleiche Antwort bei einer Umfrage der US-Handelskammer im Jänner gaben.

Die EU-Handelskammer bläst ins selbe Horn. Die Investitionsströme haben sich umgekehrt. 2015 investierten chinesische Unternehmen 20 Milliarden Euro in der EU, 44 Prozent mehr als 2014. Im Gegenzug fielen die Investitionen der EU-Unternehmen in China auf 9,3 Milliarden Euro, neun Prozent weniger als 2014. Klartext mit Peking sprach auch US-Finanzminister Jack Lew beim jüngsten Wirtschaftsdialog der USA mit China. Peking stehe mit Marktreformen in der Bringschuld und müsse die Produktion in seinen unter Überkapazitäten leidenden Branchen unter Kontrolle bringen, gerade bei Stahl und Aluminium. Diese hätten verzerrende und zerstörerische Auswirkungen auf die Weltmärkte.

China reagierte auf die USA-Kritik: Diese Woche will Vizepremier Wang Yang eine verkürzte sogenannte Negativliste veröffentlichen. Auf ihr sollen nur noch wenige Wirtschaftsbereiche ausländischen Investoren verschlossen bleiben. Wuttke würde das begrüßen. Wirkliche Reformen würden verlorenes Vertrauen wieder wecken können. "Wir brauchen dafür jetzt Meilensteine und konkrete Zeitpläne zu ihrer Umsetzung." (Johnny Erling, 7.6.2016)