Es ist so weit, wir reden diesmal über unsere allergeheimsten Serienleidenschaften und die Abgründe der Fernsehsucht im Alltag. Es geht um feministische Heldinnen von "Roseanne" und "Sex and the City", den Schnauzer von "Magnum" und die Schottenröcke in "Outlander". Also alte und neue Serienlieben, Dinge, die wir gern sehen oder gern gesehen haben – und manchmal nicht mal wissen, warum.

Doris Priesching: Und es begab sich, dass ich während meines letzten grippalen Infekts wieder einmal zum Schemafernsehenschauen kam – das heißt, es stand nicht gut, der Kopf brummte, der Hals tat weh, mir war von Hühnersuppe und Hollundertee schlecht, kurz: Ich war nicht fähig, mir irgendeine coole Serie rauszusuchen, somit auf das Angebot anderer angewiesen.

Das entpuppte sich letztlich als Glücksfall, denn es erschien Ihre Durchlaucht Roseanne Conner, Königin der amerikanischen Unterschichtkultur. Ich war gerettet. Aber nicht nur das, es waren meine Lieblingsfolgen aus der zweiten Staffel. Die erste war die, in der Becky sich fesch macht für einen Vortrag vor der Schule und ihrem neuen Schwarm Jimmy irgendwie. Das brave Mädchen ist blitzsauber hergerichtet und supernervös, die gute Mutter gibt ihr einen Kuss auf den Weg, das Kind ist fort. Zurück kommt später die garstige Schwester Darleene und eröffnet voller Häme den Fauxpas des Tages: Die Vortragende hat vor versammeltem Publikum – darunter auch Jimmy – einen fahren lassen. Dan liegt flach, Roseanne behält die Nerven. Becky kommt heim, geniert sich zu Tode, Roseanne tröstet, wie eben nur Roseanne trösten kann: "Das Leben ist voller Pupser." Wenn das keine Botschaft ist! Wenig später kommt Jimmy doch. Er und Becky gehen miteinander aus, und alles ist gut. Wie lieb' ich diese Folge!

Queen Roseanne weiß alles, immer.
TV Land

Daniela Rom: So 80er-Jahre-Serien eignen sich ja hervorragendst zum Guilty-Pleasure-Liebling. Ich LIEBE zum Beispiel "Magnum". Ja, genau der mit dem Schnauzer und dem roten Ferrari und seinen zwei besten Buddies Rick und TC und dem Haus von Robin Masters und Higgi-Baby und den Hunden und Hawaii. Lustigerweise funktioniert diese Serie auch heute noch. Klar, die Spezialeffekte sind – sagen wir es einmal freundlich – lahm, und die wirklich sehr kurzen Hosen von Tom Selleck (aber er konnte sich das leisten) würde man heute wahrscheinlich nicht einmal an einem Pauschaltouristen auf Malle finden, doch der Schmäh rennt, und die Geschichten sind spannend erzählt. Selbst das für heutige Verhältnisse langsame Erzähltempo stört mich hier gar nicht. Alles prima, für mich ein All-Time-Highlight.

Doris Priesching: So ein Highlight war für mich eben "Roseanne", die feministische Arbeiterheldin der 1990er-Jahre, die die Nachwehen der Emanzipation am eigenen Leibe zu spüren bekam. Ob das in der Fabrik oder im Friseurstudio war – es war nicht leicht, Mutter zu sein und dann noch für ein geregeltes Einkommen zu sorgen. Wie es übrigens genauso nicht leicht war, Vater zu sein und für ein geregeltes Einkommen zu sorgen. Aber sie haben sich durchgeschlagen – mit bissigem Humor, Chips und Frühstücksspeck. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Ich hab so viel gelernt von ihr.

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Die Golden Girls aus "Golden Girls".
Foto: REUTERS

Michaela Kampl: Apropos feministische Heldinnen. Ein großer Platz in meinem Serienherzchen gehört den "Golden Girls". Die vier Ladys in der WG in Miami waren die ersten 60-plus-Damen, denen das Fernsehen erlaubte, noch ein Leben zu haben. Abseits von Enkeln, Stricken, Kochen und beiger Garderobe. "Golden Girls" war bunt, laut, sexy, derb und ehrlich. Aber all das weiß ich heut. Damals in den 90ern – als ich noch ein Fernsehkind war – hab ich einfach sehr viel gelacht.

Der Sarkasmus von Dorothy, die Lebenslust von Blanche, der Realismus von Sophia und die gutgemeinte Naivität von Rose – das alles ergab eine Mischung, die ich später erst wieder von den Ladys von "Sex and the City" erkannt habe. Und da bin ich auch schon bei meiner zweiten Serien-Lebensliebe. "Sex and the City" kann ich einfach immer schauen. Immer. Nebenbei, bewusst und auch aus unterschiedlichen Gründen. Mal ist es die Mode, die mehr als ein Jahrzehnt nach Drehschluss noch immer nicht altbacken wirkt, mal ist es der Witz, die Schnelligkeit, die Direktheit, mit der die vier über Dinge reden, die zuvor kaum Thema in TV-Dialogen für Frauen gewesen sind. Und ja, es gibt große Parallelen zu den "Golden Girls".

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Die golden Girls aus "Sex and the City".
Foto: AP Photos/HBO, Craig Blankenhorn, File

Julia Meyer: Ich frag mich grad, was Guilty Pleasure überhaupt ist! Genannte Serien gehören für mich zur historischen Hochkultur des gepflegten Serienschauens! Gut, "Sex and the City" würd ich durchgehen lassen. Ist nach Staffel 2 inhaltlich fragwürdig und ich hab weitergeschaut, nun, weil ich angefixt war.

Richtig seltsam finde ich meine Vorliebe für sämtliche Jerry-Bruckenheimer-Produktionen. Wirklich, mitunter üble moralische Aussagen. Law-and-Order-Mentalität halt. Aber ich liebe sie! "Cold Case", wein ich jedesmal, "CSI New York" hab ich jedes Mal Angst, nur "CSI Miami" taugt mir gar nicht. Wie auch immer: Topproduzierte, aber eigentlich dämliche Polizeiserien sind meine geschmackliche Achillesferse.

Daniela Rom: Oh ja, das kenn' ich. Den ganzen Wahnsinn hab ich auch durch. Und ich muss ja sagen, es amüsiert mich von Zeit zu Zeit immer noch. Als das lineare Fernsehen noch mehr in meinem Leben stattgefunden hat, habe ich ja quasi alle fünf Millionen Folgen von "Law & Order" samt Ablegern gesehen. Jede Folge mindestens drei Mal. Jetzt schau ich dafür "Outlander" auf Netflix. Da war ich mir am Anfang ja gar nicht so richtig sicher, aber Netflix hat es mit angeboten, und mir war fad. Die ersten vier bis fünf Folgen über hab ich mich gefragt, was ich mir da eigentlich anschaue. Einmal abgesehen von der völlig absurden Geschichte mit der Zeitreise – aber hej! Ich schau auch "Doctor Who" mit großer Freude, da haut mich eine konstruiert-bescheuerte Zeitreise auch nicht um.

Im Grunde hab ich mir "Outlander" dann weiter angeschaut, weil ich Schottisch als Sprache sehr schön zum Anhören finde und ich die Bubentruppe im Schottenrock irgendwie lustig fand. Dämlich, aber lustig. Und, was soll ich sagen: Das ist dann eine der Serie gewesen, die aus der schwindligen Soap tatsächlich eine coole Geschichte gemacht haben, mit einem Plot, der zwar immer noch irrwitzig ist, aber in sich so rund und gut erzählt und spannend, dass ich mittlerweile zum bekennenden Fan geworden bin.

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Der Schotte im Schottenrock in Schottland. Es soll ja Leute geben, die nur deswegen bei "Outlander" einschalten.
Foto: AP Photo/Starz, Ed Miller

Michaela Kampl: "Outlander" geht leider komplett an mir vorbei. Ich überleg aber immer noch, warum. Eingestiegen bin ich, weil eine sehr gute Freundin von mir sich gar nimmer eingekriegt hat beim Schwärmen über die Serie – oder besser gesagt über diesen rothaarigen Jungen, den Loveinterest der Hauptdarstellerin Claire. Ich hab's dann echt versucht, aber mir ist Claire egal, der Schotte egal, und dann ist nimmer viel übrig, warum ich weiterschauen sollte. Ein wenig anders war's bei "Sons of Anarchy". Das hab ich geschaut – und jetzt kommt ein eventuell peinlicher Moment –, weil der blonde Biker so fesch ist. Alles andere war mir wurscht. Mehr als zwei Drittel der ersten Staffel hab ich trotzdem nicht geschafft. Mehr ging bei "Prison Break". Da war neben Eyecandy Michael Scofield die Geschichte auch spannend – zumindest die ersten beiden Staffeln über.

Daniela Rom: Eyecandy kann als Grund, eine Serie zu schauen, ausreichend sein. Es gibt schlechtere Zugänge.

Julia Meyer: Richtig "gut" war auch "The Mentalist". In einer Woche alle Staffeln durchgesehen. Gott, war ich froh, dass Patrick und Lisbon endlich in Sicherheit waren und sich nun ein hübsches Leben aufbauen können. Huch, schon wieder eine Polizeiserie. Ohne Polizei: "Greys Anatomy". Das ist ein dermaßiger Blödsinn. So überzogen und so dramatisch und überhaupt einfach langsam zum Absetzten. Aber nach einer kurzen Pause von zwei Jahren Abstinenz bin ich in die wohlige Wärme, die einem die Ärztefamilie gibt, zurückgekehrt. Und jedesmal vor Glück etwas betäubt.

Daniela Rom: Bei beidem hängt mir dann die Dauer so richtig zum Hals raus. "The Mentalist" hat ja auch gefühlte tausend Folgen. Und es passiert ewig nix, und irgendwann wird es absurd. "Greys Anatomy" – detto.

Michaela Kampl: Wohlig warm wird's mir immer, wenn sie in Stars Hollow Lichterketten in die schneebedeckten Bäume hängen, Lorelei und Rory schnell reden, ur viel Kaffee trinken und fettige Burger bei Luke mampfen. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich hab vergangenes Jahr alle – ja alle – sieben Staffeln der "Gilmore Girls" nochmal gesehen. Es war nicht immer einfach, manchmal nervig, aber aufhören ging auch nicht. Vielleicht ist es Fernsehen als Beruhigung. Weil irgendwie geht dort alles immer gut aus. Das ist schon schön. Und eventuell ist das wie alte Freunde besuchen. Die "Gilmore Girls" waren schon zu meinen Teenagerzeiten im Hintergrund da. Auf irgendeinem Kanal liefen die immer. Deswegen freu ich mich auch schon sehr auf die neuen Folgen – schließlich will ich wissen, wie es den beiden ergangen ist, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Erinnert mich an ein Klassentreffen. Weil's fast so ist, als wär ich mit ihnen in die Schule gegangen.

Julia Meyer: Ja, mich erinnert es auch an ein Klassentreffen. An ein grauenvolles! Aber gut, will dir deine Liebe nicht schlechtreden. Richtig super war natürlich auch "Gossip Girl". Eine dermaßen dekadente und dämliche Serie – mit unfassbaren Schauspielerinnen. Da ging es um nichts, und das ganz laut. Aber ich hab schon sehr gelitten, als Blair und Chuck ihre Liebe vorübergehend auf Eis legen mussten, weil sie sich geschworen hatten, jeweils zuerst ein Imperium aufzubauen. Mit 19 hat mich die Schnelligkeit, mit der reiche, amerikanische Teenager erwachsen werden, sehr erschrocken und auch unter Druck gesetzt. Ich mein, Dylan McKay aus "Beverly Hills 90210" war schon mit 16 trockener Alkoholiker und Joey Potter aus "Dawsons Creek" war erst gar nie jung und musste sich ständig selber finden. Von "Beverly Hills" besitze ich übrigens die DVDs. Einer meiner kostbarsten Besitze.

Brenda und Dylan und Kelly und Dylan und Brandon und Kelly und Steve und wer weiß ich ... Es war aufregend damals in den 90ern.
Foto: Fox

Daniela Rom: Ja ja, diese Teenie-Serien, die finden wir heute immer noch super, oder? "OC California", oder wie wir hippen Leute sagen "OC" – mir hat das getaugt. So richtig schön soapig und seicht. Und der arme Bub mit dem einen Fuß immer im Kriminal, aber nur weil seine Kindheit so arg war, und die armen reichen Kids, die alles haben, aber trotzdem den Drogen und dem Suff verfallen, und der liebe Bub, der immer brav ist und sich über seinen neuen Gangsta-Freund freut. Reicht auch aus, würde ich sagen.

Michaela Kampl: Gespannt bin ich, ob uns irgendwas, das wir heute glauben mit Fug und Recht zu schauen, später mal etwas komisch vorkommt. Mir geht's schon ein wenig so mit "True Blood". Aber darüber lasst uns in 20 Jahren nochmal reden. (Michaela Kampl, Julia Meyer, Doris Priesching, Daniela Rom, 8.6.2016)