Graz – Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm! Jedes Kleinkind sollte dank Fernsehserien wie der "Sesamstraße" wissen, wie wichtig Forschen und Erkennen sind. Und doch kommt der Wissenschaft nicht immer jene Bedeutung zu, die ihr eigentlich zustehen sollte. "Österreich ist nicht wissenschaftsfeindlich, aber es gibt eine Skepsis gegenüber der Wissenschaft. Dafür gibt es keinen einzelnen Grund, es sind eher Einstellungen, die sich über die Jahre fortsetzen", sagt Barbara Streicher, Geschäftsführerin des Vereins Science-Center-Netzwerk. Dieser vor zehn Jahren gegründete Verein hat die Aufgabe, die interaktive Wissensvermittlung im Lande zu stärken und Wissen auch jenen Menschen zugänglich zu machen, denen dies aus unterschiedlichen Gründen verwehrt bleibt.
Skepsis abbauen
Grundsätzliches Interesse an der Wissenschaft sei vorhanden, meint Streicher, doch eine aktive Beschäftigung damit oder gar eine Berufslaufbahn in diesem Bereich sei nicht allzu attraktiv. Die Wissenschaft gelte eben als etwas Abgehobenes, etwas Unverständliches – und diese Einschätzung entsteht offenbar früh. "An den Schulen wird zu wenig getan, um diese Skepsis abzubauen. Das liegt vor allem daran, dass es dort eher um das Reproduzieren bekannter Inhalte als um das aktive Tun und um das Forschen geht", sagt Streicher. Dabei sollte es Ziel sein, die Schüler zum Forschen anzuregen und die Neugier zu wecken. Die Lehrpläne würden dafür ausreichend Freiräume zulassen, doch diese würden nicht immer genutzt werden.
Dahinter steckt offenbar eine gewisse Scheu, sich auf ungewohntes und unbekanntes Terrain zu begeben. "Es wird an den Schulen eben nicht Wissenschaft gelehrt, weil diese umfasst ja das Arbeiten an ungelösten Problemen. Viele Lehrkräfte aber möchten nur das vermitteln, was sie selbst können und kennen", meint Streicher.
Wünschenswert wäre für die Chefin des Science-Center-Netzwerks die Stärkung fächerübergreifenden Denkens, weil man sich Themen wie dem Klimaschutz ja von vielen Seiten nähern kann – unter anderem mit Chemie, Mathematik und Wirtschaftswissenschaften. Auch ein übergreifendes Fach Naturwissenschaft wäre besser als die derzeit praktizierte sture Aufteilung in Biologie, Chemie und weitere Fächer.
Neugierig sein, Fragen stellen, nach den Hintergründen forschen – tatsächlich sind das nicht wirklich jene Angewohnheiten, die das derzeitige Bildungssystem forciert. Dabei wäre genau das nicht nur für die Wissenschaften wichtig, sondern für die Gesellschaft insgesamt. "Dinge zu hinterfragen ist ja etwas höchst Politisches", betont Streicher.
Aber nicht nur die Schulen, auch die Wissenschaft selbst trägt ihr Schäuferl dazu bei, wenn es eine gewisse Scheu vor wissenschaftlichen Themen und Fragestellungen gibt. "Die Wissenschaft muss sich öffnen, selbst wenn der Spagat zwischen Korrektheit und einfacher Darstellung nicht immer einfach ist." Es sei aber kein österreichisches Spezifikum, dass sich wissenschaftliche Gemeinschaften eher abgrenzen.
Berührungspunkte schaffen
Um da einen "Kulturwandel" zu ermöglichen, müsste die Wissenschaft neue Wege der Vermittlung finden. Geschieht die Kommunikation mit der Öffentlichkeit vor allem über die Medien, kann der – meist unbegründete – Verdacht, es gehe den Wissenschaftern nur um das eigene Image, schwieriger zerstreut werden, als wenn es direkten Kontakt mit interessierten Personen gibt.
Initiativen wie die Lange Nacht der Forschung sind ein Beispiel, wie Berührungspunkte mit der Forschung geschaffen werden können – und die Wissenschafter selbst lernen dabei und werden sich ihrer Relevanz und Verantwortung bewusst, die über das eigene Feld hinausreicht. "Ein Hebel kann auch das Einfordern von Kommunikation mit der Öffentlichkeit in Forschungsanträgen sein", sagt Barbara Streicher.
Die Besonderheit des österreichischen Science-Center-Netzwerks ist der Aufbau als Netzwerk – es gibt also nicht wie in anderen Ländern ein einzelnes bombastisches Wissenschaftscenter, sondern mit der Kooperation unterschiedlicher Partner soll das Ziel einer breiten Wissensvermittlung mit modernen Methoden erreicht werden.
Kettenreaktionsmaschine
Genau das wird Thema bei der heurigen Jahreskonferenz der europäischen Science-Center sein, die diese Woche erstmals in Österreich stattfindet und dem Motto "Colours of Cooperation" gewidmet ist. Noch bis 11. Juni ist Graz Treffpunkt des European Network of Science Centers and Museums (Ecsite).
Und weil es der Sache widersprechen würde, wenn Museumsdirektoren, Pädagogen und andere Fachleute hinter verschlossenen Türen diskutieren würden, gibt es ergänzende Ausstellungen im Universalmuseum Graz und im Kindermuseum Frida & Fred sowie den Bau einer Kettenreaktionsmaschine vor dem Kunsthaus-Café, an dem sich alle beteiligen können.
Partnerorganisationen des Science-Center-Netzwerks in Österreich sind neben den erwähnten Museen auch Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Finanziert wird der Verein, für den in Wien derzeit acht Mitarbeiter tätig sind, durch das Bildungs- und das Verkehrsministerium, Interessenvertretungen, die Stadt Wien und Sponsoren aus der Privatwirtschaft.
Ein Projekt des Netzwerks ist die Einrichtung von Mini-Wissenschaftszentren in leerstehenden Geschäftslokalen: Sieben solcher "Wissensräume" wurden jeweils für einige Wochen in Wien eröffnet, ab Herbst soll es weitere geben. (Robert Prazak, 9.6.2016)