Damaskus – Der syrische Staatschef Bashar al-Assad hat sich am Dienstag erstmals an das Mitte April gewählte Parlament gewandt. Bei den Genfer Friedensgesprächen werde seine Regierung kein Thema akzeptieren, das nicht in ihrer Prinzipienerklärung enthalten sei, sagte Assad in seiner vom Staatsfernsehen übertragenen Rede. In dem Dokument heißt es, an der Spitze Syriens werde eine "Einheitsregierung" stehen, nicht ein "regierendes Übergangsgremium".
Die Delegation aus Damaskus hat die Erklärung in Genf übergeben. Die Uno als Schirmherr der Gespräche habe bisher aber nicht reagiert, sagte Assad. Die Verhandlungen hätten noch nicht wirklich begonnen. Mit Blick auf die Parlamentswahl in seinem kriegsversehrten Land sagte Assad: Das syrische Volk habe "die Welt einmal mehr durch seine außergewöhnliche Beteiligung an der Wahl und durch die beträchtliche Anzahl von Kandidaten erstaunt".
Bei der Parlamentswahl hatten alle 200 Kandidaten der Nationalen Einheitsliste, die von Assads Baath-Partei und kleineren verbündeten Gruppierungen gebildet wurde, einen Sitz im Parlament errungen. Insgesamt zählt das Abgeordnetenhaus 250 Mitglieder. Der Präsident kann sich dort also weiterhin auf eine klare Mehrheit seiner seit fünf Jahrzehnten herrschenden Partei stützen.
Wahl nur in von Damaskus kontrollierten Regionen
Die Wahlkommission hatte die Beteiligung mit knapp 58 Prozent angegeben. Die Abstimmung fand nur in den von den Regierungskräften kontrollierten Gebieten statt. Es war das zweite Mal seit Beginn des Krieges vor mehr als fünf Jahren, dass die syrische Führung ein neues Parlament wählen ließ. Die Abgeordneten wählten zum ersten Mal eine Frau an ihre Spitze: Hadia Abbas.
Die Assad-Gegner hatten zum Boykott aufgerufen. Die Vereinten Nationen erkannten die Wahl nicht an. Sie setzen sich dafür ein, im Zuge eines Friedensprozesses in den kommenden 18 Monaten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Der Assad-Verbündete Russland erklärte, die Wahl stimme mit der derzeitigen syrischen Verfassung überein.
Bei den bisherigen indirekten Friedensgespräche zwischen Regierung und Rebellen in Genf stand der Streit um die künftige Rolle Assads im Mittelpunkt. Die Assad-Gegner wiesen einen Kompromissvorschlag des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura zurück, wonach Assad als Chef einer Übergangsregierung drei Stellvertreter des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) der Rebellen bekommen und selbst nur noch eine repräsentative Funktion haben soll.
Hunderttausende Tote
Nach UN-Schätzungen wurden in Syrien seit Beginn des Bürgerkrieges im März 2011 mehr als 280.000 Menschen getötet. Millionen Syrer flüchteten vor der Gewalt. Die USA und Russland handelten im Februar einen Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien aus. Die Kämpfe in Syrien flammen dennoch stets aufs Neue auf. Die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS), die Al-Nusra-Front und andere islamistische Gruppen sind von der Waffenruhe ausgenommen.
Assad schwor seine Anhänger in dem Bürgerkriegsland auf einen Sieg gegen die Gegner des Regimes ein. "Das Blutvergießen wird nicht enden, bis wir den Terrorismus an seinen Wurzeln ausgerottet haben", sagte Assad am Dienstag vor dem Parlament. Wie die Armee die historische Oasenstadt Palmyra befreit habe, "werden wir jeden Flecken Syriens befreien. Wir haben keine Wahl, außer den Sieg."
Drohungen in Richtung Türkei
Zugleich drohte er dem "faschistischen Regime" des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die nordsyrische Stadt Aleppo werde "das Grab" sein, "wo die Träume und Hoffnungen dieses Mörders begraben werden". Die Türkei gehört zu den wichtigsten Unterstützern der syrischen Rebellen. Diese kontrollieren Teile Aleppos, laufen dort allerdings Gefahr, von der Außenwelt abgeschnitten zu werden.
In dem mehr als fünfjährigen Bürgerkrieg haben Assads Anhänger mit russischer und iranischer Hilfe in den vergangenen Wochen Geländegewinne erzielen können. Im Norden Syriens flohen tausende Zivilisten aus einer vom IS gehaltenen Stadt. Die Menschen reagierten damit am Dienstag nach Angaben von Aktivisten auf das Heranrücken kurdischer und arabischer Rebellen, die von der US-geführten Militärkoalition unterstützt werden. In dem Gebiet um die Stadt Manbij liegt der letzte direkte Zugang der Extremisten zur Türkei.
Bei den Angreifern handelt es sich um Kämpfer der Demokratischen Syrischen Kräften (SDF), eines Zusammenschlusses gemäßigter kurdischer und arabischer Rebellen. Diese rückten nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montagabend von Norden und Osten an die Stadt heran. Bereits in der vergangenen Woche hatten die Rebellen mit Unterstützung der US-geführten Militärkoalition Stellungen des IS in Manbij aus der Luft angegriffen. (APA, 7.6.2016)