Ein Rendering der Wohnanlage "Wohnregal" im Wiener Sonnwendviertel, das in Kürze bezogen wird. Hier muss sich zeigen, ob das Smart-Wohnkonzept mit kleineren, günstigeren Wohnungen aufgeht.

Visualisierung: Geiswinkler & Geiswinkler / Schreiner Kastler

Sie ist nicht gerade ein Glanzstück der Wiener Stadtplanung, die Alfred-Adler-Straße. Als laute, breite, vielbefahrene Autoschneise trennt sie das Sonnwendviertel südlich des Hauptbahnhofs in zwei Hälften, bevor sie unter der Bahntrasse Richtung Arsenal rauscht. Auf den ersten Blick keine Top-Wohnlage. Doch es kommt darauf an, wie die Architektur auf diese Lage reagiert.

Hier tut sie das so: An der nördlichen Straßenseite zieht sich ein langes, luftiges Gerüst aus Betonfertigteilen an der entlang, aus dem sich wie zufällig verteilte, farbige Balkonboxen hinausschieben.

Passender Name

"Wohnregal" haben die Architekten Geiswinkler & Geiswinkler ihren Bau getauft, ein durchaus passender Name. "Das Gerüst dient natürlich als lärmschützende Pufferzone zwischen Wohnung und Straße", erklärt Architekt Markus Geiswinkler. "Vor allem aber ist es ein Bereich, den sich die Bewohner aneignen können."

Aneignung wird auch im Inneren des Hauses großgeschrieben: Die Interessenten konnten sich auf einer eigens eingerichteten Website die Wunschwohnung aussuchen. Zur Wahl standen Wohnungsgrößen von 40, 55, 70 und 85 Quadratmetern, die Verteilung ergab sich sozusagen per Plebiszit.

116 der insgesamt 148 sind SMART-Wohnungen, denn das Wohnregal (Gesamtbaukosten 20,4 Millionen Euro) ist das Ergebnis des ersten Bauträgerwettbewerbs, bei dem das von der Stadt Wien entwickelte Smart-Programm zum Einsatz kam.

Sonnwendviertler Praxistest

Zielgruppe der Smart-Wohnungen sind junge Berufsstarter, Alleinerziehende und Ältere, die eine kompakte und kostengünstige Wohnung suchen. Finanzieller Vorteil: Bei diesen Wohnungen ist die Miete mit 7,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt, bei Eigenmitteln von maximal 60 Euro pro Quadratmeter. Das mit viel Aufmerksamkeit und Warnungen vor minderwertigem "Billigwohnen" begleitete Programm stellt sich hier im Sonnwendviertel also dem Praxistest.

Die Erkenntnis: Günstig muss nicht "billig" ausschauen, wenn das System smart genug ist: "Alle Innenwände sind nichttragend, dadurch ergibt sich eine große Flexibilität in den Grundrissen," sagt Markus Geiswinkler. Als Vorbild dafür habe man sich die Wiener Gründerzeitwohnungen genommen, deren Anpassbarkeit sich seit über 100 Jahren bewährt hat.

Kleinere Wohnungen nachgefragt

Doch wie schafft es der Bauträger, günstig zu sein, ohne die Wohnqualität zu riskieren? "Das größte Einsparungspotenzial sind die Nebenräume," erklärt Petra Strodl, Leiterin der Wohnungsvergabe beim Bauträger Heimbau. Statt in Vorräume und Gänge geht es direkt in die große Wohnküche. Kleinere Einsparungen seien bei der Ausstattung vorgenommen worden, etwa bei der Verfliesung der Bäder.

Wo liegen nun die per Online-Empirik festgestellten Vorlieben der Wohnungssuchenden? "Stark nachgefragt werden die kleineren Wohnungen", berichtet Geiswinkler, "vor allem, wenn man sie ,upgraden' kann und die Zwei-Zimmer-Wohnung mit einem kleinen Kabinett zur Drei-Zimmer-Wohnung wird."

Damit es nicht zu eng wird, muss ein Ausgleich außerhalb der Wohnung geschaffen werden: Auch hofseitig gilt das Prinzip der "Aneignugszone", auch hier hängen bunte Boxen an der Fassade. In diesen sind Waschküchen und Kinderspielräume untergebracht, auch für Fahrräder und Kinderwägen wurde direkt vor den Wohnungen Platz geschaffen. "Dadurch konnten wir im Erdgeschoss fast alle Nebenräume einsparen", erklärt Geiswinkler.

Nutzung besprochen

Gemeinschaftsräume wie hier in den bunten Boxen gehören inzwischen zum Standard im Wiener Wohnbau, wenn auch manch ein Bauträger klagt, mit deren Größe habe man es bisweilen übertrieben und sie würden von den Bewohnern oft kaum genutzt, bis sie zum Lagerraum für die vielzitierten Winterreifen des Hausbesorgers werden.

Solche Sorgen hegt man bei Bauträger Heimbau nicht. "Die Nutzung und Größe der Gemeinschaftsräume haben wir mit den zukünftigen Mietern besprochen", sagt Strodl. Ende Juni werden die Wohnungen übergeben, dann wird sich die Aneignung in der Praxis zeigen. Und wer weiß, vielleicht wird auch die Alfred-Adler-Straße eines Tages smart. (Maik Novotny, 9.6.2016)