Rechnungshof-Gebäude in der Dampfschiffstraße: Die Wahl der Chefin oder des Chefs belastet Rot-Schwarz.

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Wien – Für ein Job-Hearing ist der vom Neoklassizismus geprägte Budgetsaal des Parlaments eine einschüchternde Kulisse. Acht Kandidaten – jede Parlamentspartei durfte bis zu zwei nominieren – werden am Mittwoch ab zehn Uhr jeweils eine Stunde Zeit haben, den Mitgliedern des Hauptausschusses des Nationalrats zu ihrem Amtsverständnis als oberste Kontrollore der Republik Rede und Antwort zu stehen.

Schwarz-blaues Muster von 1992 und 2004

Dabei meinen viele Beobachter, speziell die eher linksorientierten, dass die Sache ohnehin schon ausgedealt wäre. Wie schon 1992 und 2004 könnten ÖVP und FPÖ miteinander einen Kandidaten für die Spitzenposition des Rechnungshofs (RH) durchdrücken – wobei es in diesem Fall wohl eine Kandidatin wäre: Während die FPÖ mit Barbara Kolm eine Kandidatin aufgestellt hat, die allenfalls dem Wirtschaftsflügel der ÖVP und möglicherweise ein paar Abgeordneten des Team Stronach und der Neos gefallen könnte, hat die ÖVP mit Helga Berger eine Frau aufgestellt, die mit ihrer Vergangenheit in Diensten freiheitlicher Politiker durchaus auch in der FPÖ mehrheitsfähig wäre.

Dritte Partei notwendig

Dem steht allerdings entgegen, dass für eine Mehrheitsbildung eine dritte Partei notwendig wäre. Und Berger ist als ehemalige Kabinettsmitarbeiterin der blauen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer bei den Sozialdemokraten denkbar schlecht angeschrieben. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Christian Kern hat überhaupt die Maxime ausgegeben, dass frühere Kabinettsmitarbeiter nicht infrage kämen, weil sie befangen sein könnten.

Derartige Befangenheit wollen einige RH-Mitarbeiter auch bei den früheren Präsidenten Josef Moser (er kam 2004 aus der FPÖ) und Franz Fiedler (der ÖVP-Mann wurde mithilfe der FPÖ 1992 gewählt) gespürt haben. Ob dies nun zu Recht oder zu Unrecht war: Berger wäre an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte im RH nur bedingt willkommen.

Koalitionsabkommen verpflichtet die Partner

Politisch wäre eine derartige Bestellung – wo immer ÖVP und FPÖ die fehlenden Stimmen für eine Mehrheit herbekommen wollten – allerdings höchst brisant. Das geltende Koalitionsabkommen verpflichtet die Partner nämlich zu unbedingter Kooperation: "Die parlamentarischen Fraktionen der Koalitionsparteien und deren Klubobleute stimmen das parlamentarische Vorgehen im Interesse einer sachlichen Kooperation zeitgerecht ab und stellen eine gemeinsame Arbeit der Koalitionsparteien in sämtlichen parlamentarischen Angelegenheiten, einschließlich der Abstimmungen, sicher."

Überstimmt eine Partei die andere, dann sollte automatisch ein Neuwahlantrag eingebracht werden. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka liest das Koalitionsabkommen aber anders: Die Regierung (und die sie tragenden Parteien) könnte sich ihren Kontrollor oder ihre Kontrollorin nicht aussuchen – gerade deshalb werde doch ein Hearing veranstaltet.

ÖVP-Lob für SPÖ-Kandidaten

Lopatka hat im Vorfeld des Hearings auch den von SPÖ und Team Stronach vorgeschlagenen ehemaligen Budget-Sektionschef und jetzigen RH-Mitarbeiter Gerhard Steger gelobt, weil dieser die Schnittstellen von Politik und Verwaltung ebenso wie Berger und Kraker gut kennt. Allerdings hat Lopatka darauf hingewiesen, dass die ÖVP eine Frau bevorzugen würde, daher habe die ÖVP auch zwei Frauen vorgeschlagen.

Die SPÖ hat auf einen der beiden ihr zustehenden Vorschläge eine Frau nominiert, nämlich Elfriede Baumann. Sie ist als Wirtschaftsprüferin erfahren, hat aber keinen Hintergrund in der öffentlichen Verwaltung. Auch Bundeskanzler Kern zeigte sich von der für die Rechnungshof-Präsidentschaft nominierten Kandidatenauswahl nicht überzeugt. Man hätte "ganz unabhängige Kandidaten" vorgezogen – Kern war schon in der Vorwoche dagegen, dass das Parlament jemanden an die Spitze der Kontrolle setzt, der vielleicht seinen eigenen früheren Wirkungsbereich prüfen (lassen) müsste.

Keine Gemeinsamkeit

Die ÖVP hat dieses Argument nicht gelten lassen – und zeigte sich am Dienstag auch unbeeindruckt von Kerns Hinweis, dass man den Text des Koalitionsübereinkommens genau lesen müsse. Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sprach sich dafür aus, den bestgeeigneten Kandidaten beziehungsweise die bestgeeignete Kandidatin zu wählen.

So ähnlich sagte es auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder – aber mit dem Bedauern, dass die beiden Koalitionsparteien nicht (womöglich gemeinsam mit Teilen der Opposition) einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten konnten. Stattdessen könne sein Gegenüber Lopatka nun treiben, was nach seiner, Schieders, Einschätzung ein "mieses Spiel" ist.

Womit das Hearing spannend wird, vielleicht kann der eine oder die andere mit Kompetenz und Erfahrung punkten?

Kickingers Erfahrung als Geprüfte

Mit dem Rechnungshof hat etwa Viktoria Kickinger bereits Erfahrungen gemacht. Allerdings als Überprüfte. Seit 2009 saß die studierte Ethnologin und Kommunikationswissenschafterin in verschiedenen Aufsichtsräten der Bundestheater-Holding. Im Burgtheater fungierte sie von 2009 bis 2014 als Stellvertreterin des Aufsichtsratsvorsitzenden Georg Springer. Der ehemalige Holdingchef gilt als einer der Hauptbeschuldigten im 2013 aufgeflogenen Finanzdebakel. Zur Klärung der Vorkommnisse sollte auch ein unlängst erschienener Prüfbericht des Rechnungshofs beitragen. Dem Aufsichtsrat – also auch Kickinger, die im Bericht namentlich angeführt wird – wirft der RH "mangelnde Nachfragefreudigkeit", also eine Vernachlässigung seiner Kontrollaufgaben vor.

Dass Kickinger nun ausgerechnet von Neos und Grünen nominiert wurde, ist verwunderlich, haben doch deren Kultursprecher in den parlamentarischen Untersuchungen zur Burgtheater-Affäre am meisten Eifer an den Tag gelegt. Der Schönheitsfehler mit der Burg-Aufsicht dürfte also nicht ausschlaggebend gewesen sein. (Conrad Seidl, Stefan Weiss, 7.6.2016)