Melanie Fraunschiel im Jab Club in Wien, Liesing. Das Motto an der Wand nimmt sie sich durchaus zu Herzen.

Foto: Stephan Röckl

Motivationsvideo von Melanie Fraunschiel.

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Wien – "Sehr gut, Melli. Bleib auf der Leber!" Gerald Pelikan ist zufrieden mit seinem Schützling. Es ist nur Training, Sparring. Aber für den Ernstfall. Ein Kampf steht bevor. Melanie "Melli" Fraunschiel (31) boxt. Nicht in Rio de Janeiro bei den Olympischen Spielen. Meistens in Wien, Liesing, Altmannsdorfer Straße 182a. Montag, 18 Uhr. Fraunschiel ist nicht allein. Rund 15 Mitglieder des Jab Club üben an diesem Tag, davon drei Frauen. Boxen, das war einmal ein Männersport.

"Train hard, fight smart" ist in großen schwarzen Lettern auf der Wand zu lesen. Aus dem Ring bietet sich ein Rundumblick auf eine Reihe alter Plakate. Harry E. T. Geier, Edip Sekowitsch, George Foreman, die Klitschko-Brüder.

Trainiert wird heute im zweiten Raum des Jab Club, der Boden ist mit Matten ausgelegt. Aufwärmen. Coach Juri gibt die Anweisungen. Ein paar Runden laufen. Springschnur springen. Fraunschiel ist gut aufgewärmt. Sie trainiert im Pulli. "Damit ich noch was runterschwitze."

Fraunschiel (31) boxt als Amateurin, damit verdient sie zwar nichts, aber der Sport kostet ihr auch nichts.
Foto: Claudia Lecnik

Mit 59,7 kg hat sie ihr Kampfgewicht zwar schon, aber sicher ist sicher. In Polen bestreitet sie ihren ersten Kampf in diesem Jahr. Fraunschiel ist Amateurin. Gerne hätte sie bei Olympia in Rio geboxt. Aber es gibt nur wenige Startplätze. Sie hat keinen ergattert. "Ich träume immer noch von Olympia", sagt sie. "Ich bleib dran."

Fliegende Fäuste, tänzelnde Beine

Im Boxklub fliegen die Fäuste, tänzeln die Beine. Gerald Pelikan instruiert jetzt. Drei Runden Schattenboxen. "Deckung!" "Schnelle Hände!" "Das muss schneller gehen!" Sparring mit wechselnden Partnern und Partnerinnen. Die Leistungsniveaus sind unterschiedlich. Fraunschiel: "Ich bin froh über jeden Gegner. Man kann von jedem etwas lernen."

Sie selbst hat schnell gelernt. Fraunschiel boxt erst seit 2010. Davor betrieb sie elf Jahre lang Kyokushinkai-Karate, eine der härtesten Karatearten. Fraunschiel war dreimal EM-Fünfte. Nach elf Jahren brauchte sie etwas Neues. "Zwischen Boxen und Karate gibt es viele Unterschiede – bis auf den Leberhaken." Den gibt es in beiden Sportarten. Er ist Fraunschiels Lieblingsschlag.

Fraunschiel (in Blau) boxt seit 2010. Mehr als 50 Kämpfe hat sie mittlerweile hinter sich.
Foto: Matthias Nechi

Tough is not enough

"Beinarbeit, Leute." "Vü spritziger." Pelikan fordert "Spielwitz". "Überraschts eich söba!" Auf der Wand noch ein Spruch: "Tough is not enough." Fraunschiel sagt: "Ich gebe niemals auf. Ich halte durch." Eine weitere Stärke: "Ich setze Anweisungen sehr gut um. Wenn der Trainer schreit: 'links, rechts, Leber', dann mach ich das."

Fraunschiel war 14, als sie sich für den Sport und gegen Partys und Freund entschied. "Ich wollte kämpfen." Das Mädchen, das zunächst Fan der Ninja Turtles und dann von Bruce Lee und den Shaolin-Mönchen war, suchte bei der Volkshochschule nach einem Kurs in der Nähe und fand eben Kyokushinkai-Karate.

Beiname Vegan Wolf

Ein klischeehaft weiblicher Weg war nicht der ihre. Fraunschiel studierte an der Technischen Universität, arbeitete als Türsteherin. Und sie mag Wölfe. "Die haben mich immer schon fasziniert." Boxer, Boxerinnen tragen Beinamen. "Wölfin" war also naheliegend. Aus der Wölfin wurde Vegan Wolf. Wölfe sind natürlich Fleischfresser. "Aber sie mögen Obst und Gemüse. Sie leeren immer zuerst den Mageninhalt ihrer Beute."

Fraunschiel hat früher alle möglichen Ernährungsarten und Diäten probiert. Sie hatte stets Probleme, ihr Kampfgewicht (unter 60 kg) zu erreichen, hatte schlechte Haut, wenig Energie und war häufig krank. Dann las sie das Buch des kanadischen Triathleten Brendan Brazier, eines Veganers. Ab 2014 stellte Fraunschiel ihre Ernährung Schritt für Schritt um. "Mir geht's jetzt besser als mit 24", sagt sie. "Auf einmal regeneriere ich schnell." Und krank werde sie auch viel seltener.

tykefilms by Jochen Russmann

Vorbild Mike Tyson

Im Jab Club fordert Pelikan noch einmal Einsatz. "Jetzt geht's um den Sieg, nicht um den Schönheitspreis!" Fraunschiel bleibt auf der Leber. Ihr Boxstil ähnle jenem Mike Tysons, "als er noch Amateur war". Fraunschiel wird nie in Ohren beißen. Tyson ist mittlerweile auch Veganer.

Fraunschiel ist ein Sportfreak. Täglich läuft sie um halb sieben ins Fitnessstudio. Crossfit. "Dadurch werde ich beim Boxen stabiler." Dann zur Arbeit. Sie ist Qualitätsmanagerin an der Medizinischen Universität. Und dann zum Boxtraining. Am Wochenende geht sie noch Wakeboarden.

Im Jab Club ist die Übungseinheit fast vorbei. Auslaufen. Ausdehnen. Aushüpfen. Um 19.30 Uhr ist Schluss. Fraunschiel wirkt nicht extrem geschafft. Ein gutes Training. Der Boxkampf in Polen ist mittlerweile auch geschlagen. Fraunschiel musste sich der polnischen Meisterin unglücklich nach Punkten geschlagen geben. Am Leberhaken lag's nicht. (Birgit Riezinger, 9.6.2016)