Die Israelis sind irgendwie immer auf Anschläge gefasst, doch die Schüsse am Mittwochabend kamen unerwartet, denn die Terrorwelle der letzten Monate schien vorbei zu sein. Diesmal traf es wieder das gewöhnlich unbeschwerte Tel Aviv. Vier der angeschossenen Menschen starben im Krankenhaus, einige weitere wurden schwer verletzt. Die Angreifer, zwei junge palästinensische Cousins, wurden gefasst. Einer von ihnen war niedergeschossen worden und wurde in einem israelischen Spital operiert.

Premier Benjamin Netanjahu kündigte "offensive und defensive Schritte" an. "Wir werden die Angreifer angreifen und die Angegriffenen beschützen." Zunächst setzte Israel die rund 80.000 Palästinensern erteilten Genehmigungen für Familienbesuche aus Anlass des Fastenmonats Ramadan aus. Yata, das Heimatdorf der Angreifer, wurde von der Armee abgeriegelt, die Sicherheitsmaßnahmen in Tel Aviv wurden verstärkt.

Für Donnerstag berief Netanjahu eine Sitzung des Sicherheitskabinetts ein, bei der allerdings keine außergewöhnlichen Schritte vereinbart wurden. Der weit rechts stehende Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, der ebenfalls an der Sitzung teilnahm, hatte zuvor erklärt, er könne noch nichts über mögliche Maßnahmen sagen, "aber ich bin nicht sicher, dass ich beabsichtige, mich mit Worten zu begnügen".

"Heroische Operation"

Obwohl diesmal Schusswaffen und nicht Messer verwendet wurden, scheint auch dieser Angriff von keiner der bekannten Terrorgruppen organisiert worden zu sein. Ein Hamas-Sprecher im Gazastreifen sprach von einer "heroischen Operation", ein Sprecher der Fatah-Partei von Präsident Mahmud Abbas von einer "natürlichen Reaktion" auf die israelische Politik. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 9.6.2016)