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Der neue Leiner/Kika-Chef will die Auswahl in der Mitte reduzieren und mehr auf Diskont und Hochpreisiges vertrauen.

Foto: DPA/Oliver Berg

STANDARD: Sie sind Berliner. Für wie lange richten Sie sich als Chef von Leiner/Kika in Österreich ein?

George: Fünf Jahre auf jeden Fall. Dann entscheiden wir, wo meine kleine Tochter in die Schule geht.

STANDARD: Haben Sie beim Umzug auch das eine oder andere Ikea-Regal zusammengeschraubt?

George: Als Student hatte ich ein paar Regale, aber heute kümmert sich meine Frau um Einrichtung. Und die steht nicht so auf Ikea.

STANDARD: Ihr Job ist es, 50 Möbelhäuser in Österreich auf neue Beine zu stellen. Sanierer haben nicht den besten Ruf. Ärgert Sie das?

George: Sanieren hört sich an, als ob ein Konzern morgen pleite ist. Das ist nicht der Fall. Wir wollen keine Leute loswerden. Wir bauen eine neue Logistik auf, organisieren vieles um. Der konventionelle Handel unterschätzt oft, wie abhängig er von Mitarbeitern ist. Ein guter Küchenverkäufer macht im Monat maximal 150.000 Euro Umsatz. Willst du eine Million Euro, brauchst du auch mehr Leute.

STANDARD: Ich kenne keinen Turnaround großer Handelsketten, der ohne Jobabbau versucht wurde.

George: Personalmaßnahmen allein bringen einen nicht weiter.

STANDARD: Sie haben Erfahrung mit Familienbetrieben. Wie ticken sie?

George: Gibt es einen starken Entscheidungsträger, geht alles ruckzuck. Schwache Führungspersönlichkeiten kehren alle Vorteile ins Gegenteil: Dann läuft es zickzack. Viele Familienkonzerne investieren auch nicht in dem Ausmaß, in dem es notwendig wäre. Größe ist im Handel alles. Wer nicht bereit ist, für internationale Expansion eine halbe Milliarde aufzunehmen, hat ein Problem. Dann kommen Konzerne, die sich praktisch über Nacht eine Milliarde am Kapitalmarkt holen. Und als Zweiter hat man wenig Chancen.

STANDARD: Konzernkenner meinen, dass der jüngste Gewinn bei Kika und Leiner überwiegend Sondererlösen zu verdanken ist ...

George: Das ist Schmarrn. Handel und Immobilien sind, anders als früher, klar getrennt. Wir berechnen nun saubere Miete. Aber klar, wir wollen mehr als ein, zwei Prozent Rendite. Davon sind wir noch ein Stück entfernt.

STANDARD: Wie lange geben Sie sich für den Konzernumbau noch Zeit?

George: Ich bin seit zwölf Monaten hier. Um so dazustehen, wie ich es mir vorstelle, brauchen wir noch zwei Jahre.

STANDARD: Der Möbelmarkt ist mit Flächen überbesetzt und rückläufig. Kein gutes Vorzeichen.

George: Das Sortiment von Leiner und Kika war bisher relativ ähnlich. Es gab Riesenauswahl in der Mitte, wenig im Preiseinstieg und oben. Wir verschlanken die Mitte, verbreitern unten und oben. Und setzen mehr Eigenmarken ein.

STANDARD: Sie steigen auch ins Diskontgeschäft ein. Wann und wie?

George: Sommer 2017 ist realistisch. In fünf Jahren könnten zehn bis 15 Filialen entstehen, mit 3.000 bis 5.000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Bei vier, fünf bestehenden Häusern bietet es sich an, Lagerfläche dafür umzuwidmen.

STANDARD: Wie weh tun Ihnen rasant wachsende Onlinehändler?

George: Sie klauen Umsatz. Aber sie verdienen alle kein Geld. Viele machen bei 200 Millionen Euro Umsatz 50 Millionen Verlust. 25 bis 30 Prozent ihres Umsatzes sind Verlust. Ihre Marketingkosten liegen bei 25 Prozent – bei klassischen Möbelhändlern machen sie nur vier bis sechs Prozent aus. Kein stationärer Händler kann so agieren, da wäre er ja verrückt. Das ist kein Geschäftsmodell, das wir kopieren.

STANDARD: Lassen Sie den Onlinehandel also lieber bleiben?

George: Nein. Wir machen online heuer zwei Millionen Euro. Ziel ist es, in fünf Jahren gut zehn Prozent des Umsatzes online zu verbuchen.

STANDARD: Wie halten Sie es eigentlich mit Betriebsräten? Ihr Mitbewerber Lutz ist für die Gewerkschaft in Deutschland ja ein rotes Tuch.

George: Kika wie Leiner haben Betriebsräte. Man kann nicht gegen Mitarbeiter arbeiten, jeder hat den Betriebsrat, den er verdient. In Deutschland ist vieles weniger geregelt als in Österreich.

STANDARD: In der deutschen Möbelbranche wurden Sie einst Ziehsohn des Unternehmers Kurt Krieger genannt. Dann kam der Bruch. Er wirft Ihnen Untreue vor, die Justiz ermittelt. Was ist passiert?

George: Ich kooperiere mit den deutschen Behörden, zu den Erhebungen nehme ich derzeit nicht Stellung. Ich habe die Anschuldigungen von Anfang an zurückgewiesen, sie sind nicht nachvollziehbar, da ich keine unrechtmäßige Handlung gesetzt habe.

STANDARD: Sie waren mehrfacher Berliner Meister im Fünf- und Zehnkampf. Was lernt man daraus fürs Leben und die Arbeit?

George: Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen. Bei dem vielen Training brauchst du einen klaren Rhythmus, das ist wie im Job.

STANDARD: Warum haben Sie die Leichtathletik aufgegeben?

George: Ich habe die Sportlerkarriere beendet, als die Mauer fiel. Da war ich 20. Auf einmal war die ganze Weltklasse in Berlin am Start. Es war Wahnsinn. Ich hatte in Deutschland von heute auf morgen keine Chance mehr. Und ich verliere nicht gerne. (Verena Kainrath, 10.6.2016)