Bild nicht mehr verfügbar.

Der Amoklenker stellte das demolierte Auto, an dem noch Kleidungsfetzen hingen, vor der Polizeistelle ab.

Foto: APA / EPA / Elmar Gubisch

Graz – Es gibt Ereignisse, die sich ins kollektive Gedächtnis einbrennen. Ältere Menschen erinnern sich wohl noch genau, wo und wie sie die erste Mondlandung mitverfolgt haben, jeder weiß, wie er den Tag des 9/11-Anschlags verbracht hat. Und die Bewohner von Graz haben noch heute diese Mittagsstunde vor Augen, als vor knapp einem Jahr, am 20. Juni, die Welt in der steirischen Landeshauptstadt aus den Angeln gehoben wurde.

Es ist ein sonniger Bilderbuchtag, eine herrliche Stunde zum Flanieren. Die Schanigärten in der Innenstadt sind voller Leben, als ein Geländewagen mit Höllentempo mitten hinein in die wohlige frühsommerliche Szenerie kracht und im Schleuderkurs in der Fuzo der Herrengasse dutzende Menschen gnadenlos niedermäht. Ein Kind und zwei Erwachsene sterben, 36 Passanten werden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei zählte letztlich 110 Opfer und Betroffene, etliche werden noch heute psychologisch betreut.

Psychische Erkrankung

Der Amoklenker stellte sein Auto, an dem noch Kleidungsfetzen hingen, vor der Polizeistelle Schmiedgasse ab und ließ sich ohne Widerstand festnehmen. Der Ablauf der Amokfahrt erinnerte an ähnliche Autoterroranschläge, die Polizei schloss aber umgehend einen islamistischen Hintergrund aus. Schon damals habe eine polizeiärztliche Untersuchung auf eine schwere psychische Erkrankung hingewiesen, was jetzt durch Gerichtsgutachten bestätigt worden sei, sagte Landespolizeidirektor Josef Klamminger kürzlich zur Austria Presse Agentur. Tatsächlich bescheinigen zwei Gutachten dem Amoklenker eine Unzurechnungsfähigkeit.

Der mutmaßliche Täter war als Vierjähriger mit seinen Eltern vor dem Bosnienkrieg nach Österreich geflohen, sie lebten am Stadtrand von Graz.

Graz gedenkt

Der 27-Jährige wurde jetzt aus der U-Haft in eine geschlossene Abteilung der psychiatrischen Klinik in Graz überstellt. Ob und wann er sich vor einem Richter zu verantworten hat, ist noch unklar.

Die Stadt Graz wird jedenfalls am Sonntag, dem 19., und Montag, dem 20. Juni, der Opfer dieser Amokfahrt gedenken. Zuvor mit einer Messe in der Stadtpfarrkirche, vor deren Eingangstor tausende Kerzen brannten, am Montag lädt Bürgermeister Siegfried Nagl, der selbst der Amokfahrt beinahe zum Opfer fiel, Betroffene zu einer geschlossenen Trauerveranstaltung ins Rathaus. (Walter Müller, 10.6.2016)