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Der neoliberale Wirtschaftsexperte Pedro Pablo Kuczynski hat die Präsidentenwahl in Peru knapp gewonnen.

Foto: REUTERS/Mariana Bazo

Lima – Seinen denkbar knappen Sieg verdankt Perus neuer Präsident Pedro Pablo Kuczynski einer heterogenen Wählerschaft. Der gemeinsame Nenner: Es galt, Alberto Fujimoris Tochter Keiko zu schlagen. Doch der neoliberale Wirtschaftsexperte wird den Dialog mit ihr suchen müssen.

Auch als höchster Mann im Staate wird es Kuczynski nicht leicht haben. Auf die hauchdünne Mehrheit, die ihm als Präsidentschaftskandidat den Wahlsieg in Peru sicherte, kann er sich künftig nicht verlassen. Denn seinen Triumph verdankt er primär dem parteiübergreifenden Widerstand gegen seine Rivalin Keiko Fujimori (41): Dieser katapultierte ihn von 21 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang auf 50,1 Prozent in der Stichwahl. Der politische Rückenwind flaute aber nach der Ergebnisverkündung wieder ab. Jetzt ist der 77-jährige Sohn eines deutschen Tropenarztes auf sich gestellt.

Einen entscheidenden Beitrag zu Kuczynskis Wahlsieg leistete die linke Präsidentschaftskandidatin Verónika Mendoza (35), die ihre Anhänger aufrief, der Tochter des wegen schweren Menschenrechtsverletzungen inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori (1990-2000) den Weg an die Macht zu versperren. Sie sei die politische Erbin ihres Vaters, lautete der Vorwurf. Selbst als Neoliberaler gewann Kuczynski daraufhin in der Stichwahl klar in den meisten Wahlbezirken des vernachlässigten Südens des Landes, wo die Bürger in der ersten Wahlrunde mehrheitlich links gewählt hatten.

Als Präsident kann Kuczynski davon nicht mehr profitieren. Mendoza erklärte, dass die 20 Parlamentarier ihres Lagers das unternehmerfreundliche Regierungsprogramm Kuczynskis nicht stützen werden. Die Unterstützung bei der Stichwahl sei eine rein strategische Entscheidung gewesen, die sich nicht bei der legislativen Arbeit im Parlament widerspiegeln werde.

Kuczynski muss sich also auf eine in vielerlei Hinsicht komplizierte Beziehung zum Parlament einstellen. Keiko Fujimori ist als klare Oppositionsführerin nicht zu unterschätzen. Die Zahlen sprechen für sich: Mit 73 der 130 Abgeordneten im Parlament verfügt ihre Partei "Fuerza Popular" (Volkskraft) über die absolute Mehrheit. Allerdings muss sie in den eigenen Reihen noch einige Rechnungen begleichen, was in Familienstreit ausarten könnte: Denn obwohl bei der Stichwahl jede Stimme zählte, enthielt sich ihr Bruder Kenji Fujimori, ohne bisher eine Erklärung hierfür abzugeben.

Der 36-jährige Kenji ist mit der größten Stimmenzahl aller Abgeordneten ins Parlament eingezogen. Er vertritt den eng am politischen Erbe Alberto Fujimoris orientierten Flügel seiner Partei und hatte bereits nach der ersten Wahlrunde angekündigt, sich im Fall einer Niederlage seiner Schwester bei der nächsten Präsidentenwahl 2021 zu bewerben. Der Sieg Kuczynskis ebnet ihm den Weg hierzu: Wäre seine Schwester an die Macht gekommen, hätte er noch mindestens zehn Jahre im Wartestand verharren müssen. Das Gesetz verbietet direkten Verwandten des abgehenden Staatschefs, für die Nachfolge zu kandidieren.

Kuczynski kann versuchen, nach dem harten Wahlkampf Brücken zu Keiko Fujimori zu schlagen. Bei ihren Wirtschaftsprogrammen sind die Schnittmengen beider Politiker viel größer als innerhalb von Kuczynskis heterogener Wählerschaft. Beide Bewerber hätten denselben Wirtschaftsminister ernennen können, ohne dass sich jemand wundert, erklärte der Politologe Arturo Maldonado der Zeitung "El Comercio". Auch im Kampf gegen die Kriminalität lassen sich wahrscheinlich Übereinstimmungen zwischen den beiden konservativen Lagern finden. Und die Pläne zur Umwandlung der informellen Wirtschaft in legale Kleinunternehmen sind ebenfalls ein zentraler Programmpunkt beider Bewerber gewesen.

Die ersten Worte des gewählten Präsidenten fielen am Donnerstagabend versöhnlich aus. Kuczynski rief zu Dialog und Einheit auf, warb dafür, gemeinsam zu arbeiten. Fujimori hingegen blieb vorerst still.

Kuczynski wird nun versucht sein, den Machtverschleiß seiner drei Vorgänger zu vermeiden. Alan García (2001-2006) erhielt dieses Jahr in der ersten Wahlrunde nur noch knapp sechs Prozent der Stimmen, Alejandro Toledo (2006-2011) sogar bloß 1,3 Prozent. Der Kandidat der Partei des noch amtierenden Staatschefs Ollanta Humala hatte sich schon vor der Wahl zurückgezogen, weil er in Umfragen ebenfalls bei nur einem Prozent dümpelte. Dabei konnten sie alle auf das starke Wirtschaftswachstum Perus während ihrer Regierungszeit verweisen.

Humala tritt nun ab, ohne eine Lösung der großen Probleme des Landes eingeleitet zu haben. Zwar wurde die Armutsquote von 56 auf 23 Prozent halbiert, aber noch immer verdienen 73 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihr Geld in der informellen Wirtschaft – kaum weniger als zu Beginn der Amtszeit von Humala (79 Prozent). Die gesellschaftlichen Spannungen sind weiterhin groß, besonders zwischen dem Devisen einbringenden Bergbausektor und den Bauern, die ihre Wasserressourcen gefährdet sehen. Korruption und Günstlingswirtschaft grassieren wie eh und je.

Bis Kuczynski am 28. Juli das Amt übernimmt, werden diese Herausforderungen nicht verschwinden. Er wird sich überlegt haben, ob und wie er sie meistern kann. Auf die Unterstützung Fujimoris und des ihr ergebenen Parlaments wird er dabei nur bedingt vertrauen dürfen. (APA/dpa, 10.6.2016)