Soziale Medien haben einen gewissen Drall ins Eingemachte. Entweder man pflaumt sich an, weil die Tücken der Unsichtbarkeit des Gegenübers – wie auch Ingrid Brodnig treffend beschreibt – schnell zu ungustiösen Eskalationen aller Art führen. Oder man dehnt sich ins weltweite Netz hinein wie die kleine Meerjungfrau auf der Suche nach ihrem Prinzen – auf der Suche nach Menschen samt Seele.

Das ergibt manchmal Geschlechtskarambolagen und manchmal funktionierende Freundschaften, wie im echten Leben. Nur online ist aber die fabelhafte Welt der virtuellen Irrtümer. Von Sommergrippe umgeritten, lag ich letztens schlapp im Bett gefangen.

Der Online-Austausch war umso lebhafter. Neben launigen Unterhaltungen pappten Facebook-Freunde Fotos ihres aktuellen Status hinein, ich fotografierte meine Bettaussicht: weißer Lampenschirm und ein runder Stuckkringel, aus dem dieser hing. Ein Eckchen rosagetünchten Kunstwerks an der Wand erwischte ich gleich mit.

Prompt postete eine entfernte Bekannte aus Graz etwas darunter: ein Foto. Mit weißem Lampenschirm. Stuckkringel. Rosa Bildstreifen ganz oben. Mir wurde unwohl. Woher hatte die mir nicht so nahe Frau, die noch nie in meiner Wohnung gewesen war, Einblicke in mein Schlafzimmer? Eine Stalkerin? Jemand, der dezent klarmachen wollte, dass er alles über mich wusste?

So schnell gläsern geworden, bekommt man leicht Sorge. Ich verfluchte mit Schweißperlen auf der Stirn meine Leichtsinnigkeit. Nachhaken erschien mir dennoch wichtig. "Detektiv oder Fernrohr?", schrieb ich alarmiert. Sie reagierte ziemlich konsterniert.

Ich sah genauer hin: Die Lampe schien länglicher, der Stuckkringel war quadratisch. Und der rosa Bildstreifen hing rechts und nicht links. Wir hatten uns in trauter Seelenverwandtschaft in Graz und Wien fast ident eingerichtet. (Julya Rabinowich, 10.6.2016)