Eine Fotografie von 1957 zeigt: Klimts "Wasserschlangen II", entstanden 1904-07, hingen über Gustav Ucickys Esstisch. Als der NS-Filmregisseur 1961 verstarb erbte seine Witwe Ursula Ucicky seine Kunstsammlung.

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Dass ein einzelnes Kunstwerk so viel Hader heraufzubeschwören vermag, verwundert dann doch. Die Rede ist von Gustav Klimts Wasserschlangen II von 1904/07, die – neben 37 weiteren hochrangigen Kunstwerken – nun im Mittelpunkt eines seit Anfang 2015 vor mehreren Gerichten in Europa und in Asien ausgetragenen Rechtsstreits stehen. Aber der Reihe nach.

Über einen Private Sale erwarb Yves Bouvier Klimts "Wasserschlangen" von Sotheby's und verkaufte sie für 183 Millionen an einen Milliardär.
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Eine erste Zäsur in der Chronik des Klimt-Werkes fällt in das Jahr 1999, als STANDARD-Autor Hubertus Czernin die Geschichte der Sammlung Bloch-Bauer rekonstruiert und in der zweibändigen Publikation Die Fälschung (Czernin-Verlag) veröffentlicht. Darin ging es auch um die Kollektion des im April 1961 verstorbenen NS-Propagandafilmregisseurs Gustav Ucicky, der ein unehelicher Sohn Klimts gewesen sein soll.

Verlassenschaft und Raubkunst

Im Verlassenschaftsakt fand sich eine vom 14. Oktober 1961 datierte Schätzliste jener Objekte, die sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Wohnung in "Wien 9., Strudelhofgasse (sic)" befanden. Darunter das Gemälde "Die Wasserschlangen", bei dem es sich gemäß der Schätzung auf 100.000 Schilling um das wertvollste handelte, das über den Erbweg schließlich in den Besitz seiner Witwe Ursula Ucicky überging. Drei Jahre später waren die Nixenwesen 1964 im Zuge der Ausstellung Wien um 1900 ein letztes Mal öffentlich zu sehen.

Ucicky hatte das bis 1938 in der arisierten Sammlung Jenny Steiner beheimatete Gemälde 1940 über den Kunsthändler Robert Herzig im Dorotheum erworben. Also Raubkunst. Eine Tatsache, mit der die Witwe des Regisseurs Ende der 1990er konfrontiert wurde. Ab 2003 zierte das Bild den Umschlag von Sophie Lillies Handbuch enteigneter Kunstsammlungen Was einmal war (Czernin-Verlag). "Derzeitiger Besitz unbekannt", vermerkte die Autorin. Dass es sich noch immer im Besitz Ursula Ucickys befand, war nicht nachweisbar.

Auktionshäuser und andere Akteure witterten das große Geschäft und boten ihre Dienste an. Denn eine Einigung mit den Steiner-Erben würde aufgrund des hohen Wertes des Bildes nur über einen Verkauf und anschließende Teilung des Erlöses möglich sein.

Vergleich folgt Private Sale

Und genau so kam es: Vermittelt von Peter Weinhäupl, damals noch kaufmännischer Direktor des Leopold-Museums (bis Mitte 2015) und langjähriger Bekannter Ucickys, wechselte das Werk im Sommer 2013 über einen von Sotheby's gemakelten Private Sale den Besitzer. Für 112 Millionen Dollar, exklusive Prämie des Auktionshauses, die 50:50 an die beiden Parteien ausbezahlt werden sollten. Mit ihrem Hälfteanteil gründete Ucicky im September die Klimt-Foundation, in die sie teils weitere belastete Kunstwerke einbrachte und Weinhäupl zum Stiftungsvorstand auf Lebenszeit berief. Diskussionen waren die Folge: zur Raubkunst-Thematik und zu einem etwaigen Interessenkonflikt zu seiner Funktion im Leopold-Museum. Der museologische Direktor Tobias Natter zog mangels Rückendeckung der Familie Leopold die Konsequenzen und kündigte.

Zeitgleich nahm hinter den Kulissen ein Disput um die 56 Millionen Dollar unter den Steiner-Erben an Fahrt auf. Involviert war auch die Israelitische Kultusgemeinde, die sonst zwei der drei Erbengruppen vertritt, jedoch in diesem Fall nur eine unterstützte. Jene, die zwölf Monate und ein Schiedsverfahren später als Sieger hervorging. Die anderen Nachfahren erhielten am Ende keinen einzigen Cent.

Derweilen wähnte man die Wasserschlangen II in Doha. Ein Irrtum, wie sich im Februar dieses Jahres herausstellte, als das US-amerikanische Magazin The New Yorker mit Details der sogenannten Bouvier-Affäre an die Öffentlichkeit ging. Der Zollfreilagermagnat Yves Bouvier sei der Käufer gewesen, der das Bild physisch jedoch nie besessen habe. Dem Bericht zufolge verkaufte der Schweizer Geschäftsmann das Bild, exakt einen Tag nachdem die Rechtsanwälte den Vergleich in Wien finalisiert hatten, für stolze 183 Millionen Dollar an Dmitri Rybolowlew.

Parlamentarische Anfrage

Innert 24 Stunden habe Bouvier etwa 60 Millionen Dollar kassiert. Im Laufe der Jahre hatte er dem russischen Milliardär insgesamt 38 Kunstwerke im Wert von etwa zwei Milliarden Doller verkauft, jedoch zusätzlich zur vereinbarten Provision horrende Aufschläge verrechnet. Der russische Milliardär klagte, der Streitwert soll bei einer guten Milliarde Dollar liegen.

15 der 38 Transaktionen liefen übrigens über das Private Sale Department von Sotheby's. Berichten amerikanischer Medien zufolge wurde vergangene Woche nun bekannt: Sollte eines der Gerichte im Zuge der Beweisaufnahme Einblick in die Bücher verlangen, dürfte das Auktionshaus diesen nach Prüfung seiner Rechtsabteilung wohl gewähren.

Dann könnte eventuell auch bekannt werden, wie hoch die Provision ausfiel, die Peter Weinhäupl für die Vermittlung des Deals erhielt. Damit seien der Aufwand der Beteiligten und Anwaltskosten abgegolten worden, wie er im Juni 2014 im STANDARD-Gespräch bestätigte. Denn im Zuge einer vom Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl eingereichten parlamentarischen Anfrage zur Verquickung von Klimt-Foundation und Leopold-Museum war dieser Punkt, etwa ob in vier-, sechs- oder siebenstelliger Höhe, unbeantwortet geblieben.

Stattdessen erklärte der damalige Minister Josef Ostermayer im Herbst 2014, "dass es sich bei dem Verkauf des Bildes 'Wasserschlangen II' von Egon Schiele (sic) um keine Angelegenheit der Leopold-Museums-Privatstiftung handelt", weshalb sich "etwaige Weisungs- und Kontrollrechte der Republik Österreich nicht auf diesen Verkauf und seine näheren Umstände" erstreckten. (Olga Kronsteiner, 10.6.2016)