Berlin/Luxemburg – Die Euro-Zone ist nach den Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble darauf vorbereitet, negative Auswirkungen eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union zu mindern. "Wir bereiten uns auf alle möglichen Szenarien vor, um die Gefahren einzudämmen", sagte Schäuble dem "Spiegel" laut Vorabbericht vom Freitag. Er und seine Kollegen in der Euro-Zone "werden alles tun, um diese Folgen zu begrenzen".

Die Briten stimmen am 23. Juni in einem Referendum über den Austritt aus der EU ab.

Auch die EZB ist aus Sicht ihres Ratsmitglieds Ilmars Rimsevics darauf vorbereitet, im Falle von Marktturbulenzen nach einem Votum der Briten für einen EU-Austritt alle Instrumente einzusetzen. "Falls es notwendig ist, sie zu nutzen, dann wird die Europäische Zentralbank sie nutzen", sagte Lettlands Notenbank-Chef in Riga.

Für die Briten wäre ein Brexit laut Schäuble nicht folgenlos. Das Land sei eng mit den Partnerstaaten verflochten. "Da wäre es doch ein Wunder, wenn ein Ausscheiden Großbritanniens ohne ökonomische Nachteile bliebe." Komme es zu einem britischen Austritt, fürchte er aber nicht um den Bestand der EU: "Europa wird zur Not auch ohne Großbritannien funktionieren", zeigte sich der CDU-Politiker überzeugt.

Schäuble schloss aus, dass Großbritannien nach einem Ausscheiden weiter die Vorzüge des europäischen Binnenmarkts genießen könnte wie Norwegen oder die Schweiz. "Dazu müsste sich das Land an die Regeln eines Klubs halten, aus dem es gerade austreten will." Schäuble hält es nach eigenen Worten für möglich, dass das britische Beispiel Schule machen könnte und im Fall eines Brexits weitere Länder aus der EU austreten.

Die britische Innenministerin Theresa May warnte vor Verschlechterungen bei der inneren Sicherheit im Falle eines Brexit. Die konservative Politikerin sagte bei einem Treffen mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg, die in diesem Kreis getroffenen Entscheidungen trügen zu Großbritanniens Sicherheit bei. Sie verwies etwa auf die illegale Verbreitung von Waffen in Europa, zu deren Eindämmung ein Austausch zwischen den Staaten nötig sei. Für Großbritannien komme es darauf an, unter den EU-Staaten eine Führungsrolle zu übernehmen, aber nicht den Tisch zu verlassen. Großbritannien müsse in der ersten Reihe sitzen und dafür sorgen, dass seine Stimme gehört werde und etwas zähle.

Nachdem die Regierung wegen einer technischen Panne die Frist zum Eintrag in das Wahlregister um 48 Stunden verlängert hat, haben sich noch mehr als 430.000 Briten registriert. Insgesamt waren es damit in der vergangenen Woche 1,5 Millionen Personen, wie eine Sprecherin von Premierminister David Cameron bekanntgab. Die Registrierungs-Webseite war vor Ablauf der regulären Frist unter dem großen Ansturm zusammengebrochen.

Schäuble lehnte für den Fall eines Erfolgs der EU-Gegner eine stärkere Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die EU ab. "Wir können als Antwort auf einen Brexit nicht einfach mehr Integration fordern", sagte der CDU-Politiker. Auch wenn die Briten mit knapper Mehrheit gegen den Brexit stimmten, "müssen wir das als Mahnung und Weckruf verstehen, nicht einfach so wie bisher weiterzumachen". (APA, 10.6.2016)