Danuta Stenka als einsame Bühnenarbeiterin.

Foto: Klaudyna Schubert

Wien – In Franz Xaver Kroetz' Stück Wunschkonzert (1971) geht eine verzweifelte Singlefrau eines Abends in den Tod. Sie hantiert in der Küche ihrer kleinen Wohnung, handarbeitet, hört die titelgebende Radiosendung, putzt dann die Zähne und schluckt schließlich eine Überdosis Schlaftabletten. Noch 1995 hat Kroetz dieses stumme Solo (das Stück enthält neben der Radiostimme keinen Sprechtext) mit Sibylle Canonica selbst inszeniert.

So ganz ist der in die Jahre gekommene Einakter von den deutschsprachigen Bühnen also nicht verschwunden; die Inwendigkeitsspezialistin Katie Mitchell verlagerte den Fokus in ihrer Kölner Inszenierung 2008 auf die Geräuschebene sowie abgefilmte Bilder. Und wurde prompt zum Theatertreffen geladen. Es bedarf eines entschiedenen Zugriffs, um das pathetische Leidensbild einer mittelalten Frau nicht in der totalen Plattitüde enden zu lassen.

Plattitüden-Falle

Yana Ross' Arbeit tappt aber genau in diese Falle. Im Festwochen-Gastspiel aus Krakau fährt die lettisch-amerikanische Regisseurin alle Geschütze auf, um mögliche Motive wie Einsamkeit oder Sinnlosigkeitsempfinden anzudeuten. Es winkt die Tristesse mit dem Zaunpfahl aus der blitzsauberen Ikea-Wohnung: Die Protagonistin (Danuta Stenka) ordnet als Ausdruck ihres eigenbrötlerischen Daseins pedantisch ihr Abendbrot, sie filtert das Leitungswasser, lässt dafür aber – das wäre zu viel des Klischees gewesen – anno 2016 das Handarbeiten sein (dabei kommt das gerade wieder in Mode). Sie wird am Fernsehbildschirm mit den "Kardashians upkeepen" und hat sich auch das Computerspiel Sim City zugelegt und sich dort ihre eigene Fantasyfamilie kreiert.

Das alles interessiert sie aber nicht wirklich. Sie tippt wohl nur deshalb auf der Tastatur herum, um das ganze Anti-Einsamkeits-Equipment, mit dem sich der moderne Gegenwartsmensch rüsten kann, vorzuführen. Das wirkt höchst ausgedacht, banalisiert das Stück und raubt ihm jede Kraft. Insbesondere wenn man an vergleichbare Unglücksstudien wie Chantal Akermans Film Jeanne Dielman (1975) denkt, der eine ähnliche Ausgangslage zeigt: Eine verwitwete Frau kämpft allein in ihrer Wohnung gegen die Verzweiflung.

Vielleicht ist der Titel selbst Fluch des Stücks. Denn das altmodische Wunschkonzert ist dessen eigentliche Pointe. Mit der wohlig-männlichen Stimme aus dem Radio (hier: Ernst Grissemann) hält die Frau imaginär Zwiesprache. Dass ihr aber ausgerechnet bei den "vielen guten Wünschen für die Oma im Kreise ihrer Familie" die Tränen kommen, zementiert das Paradigma einer hilflos sentimentalen, kitschig rückwärtsgewandten Frau. (Margarete Affenzeller, 10.6.2016)