Joachim Löw blickt dem EURO-Auftakt seines Teams trotz verletzungsbedingter Ausfälle hoffnungsvoll entgegen.

Foto: AFP/ PATRIK STOLLARZ

Lille – Nichts ist mehr, wie es war. Vier Jahre sind keine Zeit. Aber vier Jahre nachdem die Ukraine gemeinsam mit Polen die Europameisterschaft veranstaltet hat, ist alles anders. Ein blutiger Krieg im Osten des Landes hat mehr als 9000 Menschen das Leben gekostet. Vor dem ersten Gruppenspiel am Sonntag (21 Uhr, im Liveticker auf derStandard.at) in Lille gegen Weltmeister Deutschland überkommt die Menschen im größten Flächenstaat Europas Wehmut, wenn sie an die EM 2012 denken.

Der zur EM gebaute Flughafen von Donezk ist bei Kämpfen komplett zerstört worden. Das örtliche Stadion dient als Verteilungsort für humanitäre Hilfe – der international bekannte Klub Schachtar Donezk spielt 1000 Kilometer westlich im Exil in Lwiw. Die Ukraine ist im Krieg, und da geht es auch dem Fußball schlecht. Mehrere Pleiten lassen die Premier Liga schrumpfen. Die Zuschauerzahlen haben sich seit 2012/13 mehr als halbiert.

Vorfreude in der Ukraine

Und trotz des Krieges – oder vielleicht gerade deshalb: Die Ukrainer freuen sich auf die EM. Seit Wochen stimmen TV-Spots auf das Turnier in Frankreich ein. Zeitungen bringen große Vorberichte. Drei TV-Sender übertragen die Partien. In Großstädten gibt es Fanzonen mit Public Viewing.

Teamchef Michail Fomenko sagte vor dem Auftaktspiel: "Fußball ist keine Ausnahme, sondern Teil unseres Lebens." Seine Mannschaft um Co-Trainer und Ex-Superstar Andrej Schewtschenko verspricht den Landsleuten "positive Emotionen" durch schönes Spiel und Erfolge.

Präsident Petro Poroschenko hofft sogar, dass die Ukraine in Frankreich so erfolgreich wie vor vier Wochen beim Eurovision Songcontest abschneidet. Dort hatte Jamala ihrem Land den Sieg ersungen. Deutschland wurde in Schweden übrigens Letzter, aber Deutschland braucht sich nicht an singenden Vorbildern zu orientieren. Der amtierende Weltmeister zählt selbstverständlich auch in Frankreich zu den Titelkandidaten. Die Vorrunde sollte, trotz zahlreicher verletzungsbedingter Ausfälle, kein großes Problem darstellen. Gegen Polen und Nordirland ist das DFB-Team ebenso Favorit wie im Auftaktspiel. Marco Reus, Ilkay Gündogan und Antonio Rüdiger fehlen in Frankreich. Zudem sind Bastian Schweinsteiger und Mats Hummels angeschlagen.

Coach Joachim Löw lässt sich, zumindest offiziell, nicht aus der Ruhe bringen: "Wir schrauben unsere Ansprüche nicht zurück und halten an unserem Ziel, das Finale zu erreichen, fest. Wir wollen nicht jammern, sondern die beste Lösung finden, um ein erfolgreiches Turnier zu spielen."

Für Löw ist es das fünfte Turnier als Bundestrainer. Seine Bilanz lässt sich sehen: Finale bei der EM 2008, Halbfinale bei der WM 2010 und der EM 2012 und schließlich der WM-Titel 2014 in Brasilien. Die Auftaktspiele wurden unter dem Schwaben stets gewonnen.

Die Ukraine hofft, in Frankreich zu überraschen. Und auf ein bisschen Frieden. So sang es übrigens Nicole beim Songcontest 1982 in Großbritannien. Und gewann für Deutschland. (APA, rie, 10.6.2016)

Mögliche Aufstellungen zum Spiel Deutschland – Ukraine am Sonntag:

Gruppe C, 1. Runde:

Deutschland – Ukraine (21.00 Uhr, Lille, Stade Pierre Mauroy, SR Martin Atkinson/ENG).

Deutschland: 1 Neuer – 4 Höwedes, 17 Boateng, 2 Mustafi, 3 Hector – 6 Khedira, 18 Kroos – 13 Müller, 8 Özil, 11 Draxler – 19 Götze

Ersatz: 12 Leno, 22 Ter Stegen – 14 Can, 16 Tah – 7 Schweinsteiger, 9 Schürrle, 15 Weigl, 21 Kimmich – 10 Podolski, 20 Sane, 23 Gomez

Es fehlt: 5 Hummels (Wadenverletzung)

Ukraine: 12 Pjatow – 17 Fedezki, 3 Chatscheridi, 20 Rakizki, 13 Schewtschuk – 6 Stepanenko, 16 Sidortschuk – 7 Jarmolenko, 19 Garmasch, 10 Konopljanka – 8 Sosulja

Ersatz: 1 Bojko, 23 M. Schewtschenko – 2 Butko, 5 Kutscher – 4 Timoschtschuk, 9 Kowalenko, 14 Rotan, 18 Rybalka, 21 Sintschenko, 22 Karawajew – 11 Selesnew, 15 Budkiwski