"Raunzgeräusche" bei einem fabriksneuen Audi A4 mussten vom Käufer einst hingenommen werden,

Foto: Werk

Ungewollte Spurabweichungen bei einem Fiat Doblo Cargo nicht. Der Käufer erhielt sein Geld zurück.

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Wien – Während Käufer von mangelhaften Elektrogeräten wie Handys oft geneigt sind, sich mit Kulanzleistungen zufriedenzugeben oder sich mit Neuanschaffungen selbst zu helfen, hört sich für die meisten beim neuen Auto der Spaß auf.

Treten nach der Übergabe eines gerade erst gekauften Kfz Mängel auf, die der Händler nicht reparieren kann, ist die Freude am neuen Gefährt oft verdorben, und das Zurückholen des Kaufpreises rückt in den Mittelpunkt des Interesses.

Für viele Käufer ernüchternd ist dabei die Erkenntnis, dass nicht jeder Mangel zur Rückgabe des Autos berechtigt. Die Gewährleistungsregeln sehen vielmehr ein mehrstufiges System vor, das die Interessen von Käufer und Verkäufer jeweils angemessen berücksichtigen soll. Erst wenn alle Voraussetzungen für die sogenannte "Wandlung" des Kaufvertrags vorliegen, kann der Kaufpreis (abzüglich eines Benützungsentgelts) gegen Rückgabe des Autos zurückverlangt werden.

Besonders herausfordernd für Anwälte und Gerichte ist dabei, dass das Gesetz eine Wandlung nur zulässt, wenn der vorliegende Mangel "nicht geringfügig" ist. Sonst steht nur eine Preisminderung zu. Gerade bei einem komplexen Gerät wie einem Kfz kann man bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) darüber streiten, was im Gesamtbild bloß geringfügig ist.

Wandlung oder nicht

Bei einem fabriksneuen Audi A4 waren demnach gelegentliche Vibrationen des Schaltknüppels und damit verbundene "Raunzgeräusche" bloß geringfügig und mussten vom Käufer hingenommen werden (1 Ob 14/05y).

Das Vibrieren des Armaturenbretts und Spurverziehen eines Fiat Stilo bei ständig erforderlichen Lenkkorrekturen berechtigten dagegen zur Wandlung (7 Ob 194/05p), ebenso das Flackern des Scheinwerferlichts und ein öfter auftretendes Hartwerden der hydropneumatischen Federung eines Citroën C5 (2 Ob 95/06v).

Ein Dieselpartikelfilter eines Range Rover, der im Stadtverkehr alle 200 km "regeneriert" werden muss, war dagegen nicht einmal ein gewährleistungspflichtiger Mangel (2 Ob 77/12f).

Machtwort des OGH

Die wahre Kunst für den Rechtsberater ist daher, bei derartigen Fällen den Ausgang des Verfahrens zu prognostizieren und eine Empfehlung für oder gegen eine Klage auszusprechen. Die verschiedenen beteiligten Instanzen beurteilen den Sachverhalt wegen der offenen Gesetzesformulierung häufig unterschiedlich, weswegen der OGH auch in derartigen Einzelfällen ein Machtwort sprechen muss.

In der neuesten Autoentscheidung versuchte der OGH mit einer auf den ersten Blick einleuchtenden Grenzziehung Klarheit zu schaffen (30. 3. 2016, 4 Ob 198/15v). Das Fahrzeug, ein Fiat Doblo Cargo, wies unter normalen Fahrbedingungen keine konkreten Mängel auf. Bei plötzlichem, erheblichem Beschleunigen zog das Fahrzeug aber nach links, bei starkem Abbremsen dann wieder nach rechts. Mit beiden Händen am Steuer ließ sich das leicht korrigieren. Geringfügig oder nicht?

Erst- und Zweitinstanz verwiesen den Kläger auf die Preisminderung und wiesen das Wandlungsbegehren ab – der Fahrer möge das Lenkrad eben mit beiden Händen halten. Der OGH dagegen kam zur abweichenden und lebensnah begründeten Erkenntnis, dass auch ein vorschriftsmäßig fahrender Lenker gelegentlich nicht beide Hände auf dem Lenkrad hat.

Gerade in Ausnahmesituationen könnte das Spurabweichen des Fahrzeugs daher zu einem Verkehrsunfall führen. Die körperliche Unversehrtheit des Käufers oder Dritter, die das Auto lenken, gehe aber dem finanziellen Interesse des Verkäufers am Kaufvertrag vor. Der Käufer bekam deshalb sein Geld zurück.

Konkrete Gefährdung nötig

Ist daher nun abschließend geklärt, dass ein Mangel, der die Verkehrssicherheit irgendwie beeinträchtigt, immer zur Wandlung berechtigt? Wohl nicht – aus der neuesten Entscheidung ist abzuleiten, dass es darauf ankommt, wie wahrscheinlich eine Sicherheitsbeeinträchtigung ist. Dabei ist – Stichwort Hände auf dem Lenkrad – ein lebenspraktischer und objektiver Maßstab anzulegen.

Daher sind individuelle Empfindungen, wie etwa der besonders große subjektive Ärger des Käufers über ein unbehebbares Vibrationsgeräusch, kein Grund für eine Vertragsauflösung. Zwar kann das Ärgern über den Mangel wohl ebenfalls die Verkehrssicherheit beeinträchtigen – das Fahren von Autos ist schließlich immer auch eine emotionale Angelegenheit. Um den Anwendungsbereich des Wandlungsrechts nicht ausufern zu lassen, darf aber die Verkehrssicherheit in solchen Situationen nicht zum "Totschlagargument" werden.

Manche Mängel werden sich auch weiterhin mit einem geminderten Kaufpreis ausreichend abgelten lassen und einen enttäuschten Käufer mit einem nicht mehr gewollten Fahrzeug zurücklassen. Gerade weil das eigene Auto oft mehr als nur ein technischer Gebrauchsgegenstand ist, wird über diese und ähnliche Fragen aber wohl weiter gestritten werden. (Stephan Steinhofer, 14.6.2016)