Einmal wird es richtig eng. Schuld daran sind aber nicht die Raubtiere, die vielen Bären und Wölfe, die in den Wäldern Transsilvaniens leben. Schuld daran sind die Hunde. Sie preschen zähnefletschend und wütend bellend auf die fünf Reiter zu. Die sind gerade aus dem Wald heraus auf eine weitläufige Alm gekommen. Auf der Alm, hunderte Meter entfernt, grast friedlich eine Schafherde. Sie wird von jenen sieben mächtigen Moskauer Hütehunden bewacht, die nun ihre Attacke auf die vermeintlichen Angreifer starten. Ob der Hirte versucht, sie zurückzurufen, ist nicht ersichtlich. Falls er es tut, ist es sinnlos.

András versucht, die Wütenden mit Schreien zu verjagen. Die setzen den Angriff unbeeindruckt fort. Die Islandpferde bleiben cool. Es kommt zu Scharmützeln, schließlich werden die fünf Reiter auch von drei Hunden begleitet. Ottó, der Weimaraner, und Pongó, der Kuvasz (ungarischer Hirtenhund) stellen sich tapfer der Übermacht, sie werden später ihre Wunden lecken. Die kleine Promenadenmischung hat genug gesehen und läuft nach Hause.

Hunde begleiten Ross und Reiter
Foto: Benno Zelsacher

András springt vom Pferd, zieht die Pistole, schießt oft, trifft oft. Die Hunde bellen, fletschen, jaulen und laufen zurück zu ihren Schäflein. "Ich hoffe", sagt András, "sie merken sich das." Er hat ihnen mit seiner neuen Errungenschaft, einer CO2-Pistole, Plastikkugeln auf den Pelz geknallt. Vor drei Jahren war man in der Gegend schon einmal in eine ähnlich geartete Situation geraten. Damals ließen András und sein Freund Zoltán ihre Pferde gegen die angreifenden Hunde steigen, es war eine Zitterpartie, ehe man sich im Galopp aus dem Staub machte.

Starke, mutige Bewacher

Hirten, meist Moskauer oder Kaukasische Hütehunde, Schafe und Rinder sind von April bis September auf den Almen unterwegs. Die Bewacher haben stark und mutig zu sein, schließlich ist es ihr Auftrag, die Herde vor Bären und Wölfen zu schützen. Zudem kommen sie für den Großteil ihres Futters selbst auf, jagen Hasen oder Federvieh. An ihren Halsbändern hängen große Holzprügel, damit sie sich nicht an Hirschen oder Rehen vergreifen können. Fehlt der Holzprügel, dürfen sie von Jägern geschossen werden. Und die ziehen keine CO2-Pistole.

Es ist beruhigend, einen kundigen Führer wie András Albert zu haben in der wunderbaren transsilvanischen Wildnis. Ottó und Pongó laufen stets mit den Pferden mit, umkreisen die kleine Herde, ihre Präsenz soll verhindern, dass es zu ungewollten Begegnungen mit den prinzipiell scheuen Bären kommt. Die Spuren derselben sind allgegenwärtig, seien es die Abdrücke von ihren krallenbewehrten Tatzen, sei es ihr Kot.

Von Zeit zu Zeit brauchen Pferd und Reiter eine Pause. Und während die Vierbeiner grasen, lassen die Zweibeiner die Erlebnisse Revue passieren.
Foto: Benno Zelsacher

Wir sind hier in Rumänien, in Siebenbürgen, im östlichen Karpatenbogen, im mehrheitlich von Ungarn bewohnten Szeklerland, in der Provinz Harghita, im Dorf Ivo, rumänisch Izvoare, und reiten auf extrem geländegängigen und ausdauernden Islandpferden, die hier auf den ungarischen Namen Izlandi Lovak hören. Der erste Besuch vor drei Jahren ist den Pferden zu danken, denn András Albert hat damals vier Zuchtstuten in Österreich erworben. Die fünfgängige Sunna (isländisch Sonne) war und ist eine gute Freundin, ihr reiste man nach, jetzt besucht man sie wieder. In Ivo hat sie bereits zwei Fohlen geboren. Drei Tage lang trug sie einen diesmal durch die Wälder und über die Almen, durch Furten und durch unwegsames Gelände.

Direkt aus Island importiert

Insgesamt 20 Islandpferde stehen auf dem Gestüt, sie leben gemeinsam in einer Herde, haben reichlich Platz. Durch die weitläufigen Weiden schlängelt sich ein Bach, der Tränken überflüssig macht. Islandpferde brauchen keinen Stall, Unterstände reichen völlig aus. Die zwölf Fohlen leben in einer Herde auf der anderen Seite des Tales. Zwölf sind genug, sagte sich András, und das ist der Grund, weshalb aus Sjodur, dem Hengst, ein Wallach geworden ist.

Foto: Benno Zelsacher

Pferde sind im Szeklerland im Gegensatz zu Traktoren allgegenwärtig. Sie ziehen mit Heu oder Mist beladene Leiterwagen, sie transportieren Personen, sie ziehen den Pflug. Islandpferde freilich sind selten in Rumänien. Wie András auf diese Idee kam? Er hat viel Geld gemacht mit seiner Druckerei, importierte in den fetten Zeiten 50.000 Tonnen Papier pro Jahr aus Österreich, druckte für österreichische, deutsche oder isländische Auftraggeber. Und verkaufte das Unternehmen an einen Isländer. Der kam eines Tages nach Ivo, sah sich um und sprach: "Das einzige, was dir hier fehlt, sind Islandpferde." Also wurden die ersten Exemplare aus Island importiert. Kurz vor der Wende in Rumänien hatte sich András nach der Geburt des ersten Kindes ab fünf Uhr in der Früh stundenlang für Milch angestellt.

Wild in allen Varianten

András, einer der größeren Arbeitgeber in der Gegend, nennt auch einen 400 Hektar großen Wildpark sein eigen. Man kann den Park mit dem Pferd durchstreifen. In ihm leben Hirsche, Rehe, Wildschweine, Mufflons, keine Bären, keine Wölfe, weder Moskauer noch Kaukasische Hütehunde. Das Wild wird in allerlei Varianten in der Villa Honor serviert, einem stattlichen Blockhaus mit neun Gästezimmern.

Und dann kommen doch Bären. Mit einer ungarischen Familie machen sich drei Österreicher auf den kurzen Fußmarsch vom Auto zu einer Lichtung. Sie werden begleitet von zwei Rangern, einer trägt ein Gewehr, einer eine Pistole. Wie immer haben sie abgelaufene Schokolade und andere Lockmittel wie Mais im Gepäck. Sie legen die Köstlichkeiten auf der Lichtung aus. Die Neugierigen sitzen im Holzhaus und schweigen.

Dem Ruf der Schokolade kann der Bär nicht widerstehen.
Foto: Benno Zelsacher

Nach einer halben Stunde betritt der erste Bär die Lichtung, dann noch einer und so weiter. Man zieht die Kamera. Der Ausflug kostet 20 Euro. Wer will, kann aus dem Häuschen heraus auch einen Bären abknallen. Aber das bedarf einer anderen Abmachung. Kostet 8000 Euro. Und ist keine große Kunst, wenn sich Gevatter Bär wenige Meter vor der Schießscharte an der Schokolade ergötzt.

Graben oder Spiegel

Am Ende des vierten Tages im Sattel wird es noch einmal eng, diese Peinlichkeit soll nicht verschwiegen werden. Fünf Reiter kommen aus dem Wald ins Dorf, sie reiten über einen schmalen Weg, auf dem mittig ein Auto steht. Einer zwängt sich mit seinem Pferd vorbei, fällt fast in den angrenzenden Graben. Selbst sitzt man auf einem prächtigen Futterverwerter, sieht den Graben, den Rückspiegel. Und entscheidet sich für Zweiteren.

Man springt vom Pferd, begutachtet den Schaden. Der Spiegel ist nicht kaputt, nur ausgehängt. Eine perfekte Groteske: Bären, Wölfe, scharfe Hunde, schwierigstes Geläuf und dann das! Der Autobesitzer im Garten nebenan ist völlig zurecht erbost. András führt das Wort. Der Autobesitzer will sich nicht beruhigen. Da zieht András den Flachmann. Drinnen befindet sich Ortsübliches, ein aus Pflaumen gebrannter Pálinka. Die Verhandlungen nehmen eine scharfe Wendung. Der Autobesitzer lacht und entspannt sich. Handschlag zum Abschied. (Benno Zelsacher, 21.6.2016)