Wer "Ärgernis erregt", soll künftig bestraft werden können, auch wenn sich niemand bedroht fühlt. Das sieht die geplante Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes vor.

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Wien – Die Polizei soll mehr Befugnisse bekommen – und zwar nicht nur bei potenziellen Straftätern, sondern auch im Umgang mit an einer Straftat Unbeteiligten. Das sieht die aktuell geplante Reform des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) vor. So sollen Personen, die "die öffentliche Ordnung stören", künftig mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro belangt werden.

"Berechtigtes Ärgernis"

Derzeit liegt der Strafrahmen bei 350 Euro, wenn jemand "durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört". Künftig reicht es bei höherer Strafandrohung schon, dass das Verhalten "geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen".

Beamte sollen den mutmaßlich Störenden vom Ort des Geschehens wegweisen dürfen, wenn sie der Ansicht sind, dass ein solches Verhalten vorliegt. Das gilt auch dann, wenn von dem störenden Verhalten kein Polizist betroffen und auch sonst niemand bedroht ist. Ausdrücklich in den Erläuterungen genannt wird beispielsweise "das Verstellen von Geschäftspassagen", auch wenn dies nicht auf besonders rücksichtslose Weise geschieht.

Kritikern geht das zu weit, sie halten die Norm für unklar formuliert und daher die Freiheit der Beamten, diese beliebig anzuwenden, für zu groß. Die Novelle sei ein Rückschritt zur Rechtslage vor 25 Jahren, gibt etwa Susanne Reindl-Krauskopf, Leiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien, zu bedenken. Damals wurde das Sicherheitspolizeigesetz, das dem Polizeihandeln engere Schranken setzte, beschlossen. Es sei nicht erkennbar, "warum die Rechtslage vor 25 Jahren die bessere sein sollte", stellt Reindl-Krauskopf in ihrer mit Kollegen Farsam Salimi verfassten Stellungnahme fest.

"Zu schwammig"

Für "zu schwammig" hält auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer die Bestimmung. Eine Norm im Strafrecht müsse "so zweifelsfrei formuliert sein, dass ich mein Verhalten danach ausrichten kann", das sei hier nicht der Fall. Zudem würden die geltenden Gesetze der Polizei schon ausreichend Befugnisse geben, um die öffentliche Ordnung zu sichern.

Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht noch weitere grundrechtssensible Änderungen vor. So dürften Tatverdächtigen häufiger DNA-Proben abgenommen werden. Derzeit ist das beispielsweise nur dann möglich, wenn jemand eines schweren sexuellen Übergriffs wie einer Vergewaltigung verdächtigt wird. Künftig könnte auch beim Verdacht auf sexuelle Belästigung eine DNA-Probe verlangt werden. Und das soll im Ausnahmefall sogar Menschen betreffen, die gar nicht selbst tatverdächtig sind, sondern sich im Umfeld des Tatverdächtigen aufgehalten haben.

Verkürzte Begutachtung

Die Verschärfung des Sicherheitspolizeigesetzes soll noch vor der Sommerpause des Nationalrats beschlossen werden und mit 1. August in Kraft treten. Dass das möglich wird, ist einer stark verkürzten Begutachtungsfrist zu verdanken: Das Innenministerium gab Experten und sonstigen Interessierten nur zwei Wochen Zeit, um ihre Stellungnahme zum Entwurf einzureichen. Eigentlich vorgesehen wären sechs Wochen, üblich sind zumindest vier. Im Innenministerium wird die Eile mit "Präventionsgründen" erklärt und damit, dass man einen Beschluss vor dem Sommer ermöglichen wollte.

Verfassungsrechtler Mayer hält das für "Blödsinn": "Man hat die Bestimmung bisher nicht gebraucht, also hätte man bis Herbst auch noch warten können – schließlich haben wir im Sommer kein Großereignis."

Auch der Rechnungshof zeigt Unverständnis: Sechs Wochen seien der "Regelfall", betont die Behörde in ihrer Stellungnahme. "Der Rechnungshof weist kritisch darauf hin, dass diese Frist im vorliegenden Fall ohne nähere Begründung signifikant unterschritten wurde."
(Maria Sterkl, 14.6.2016)