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Der Pleitegeier hat sich auf der Verlassenschaft eines Vertrauensanwalts des KSV niedergelassen. Selbiger muss sich nun gegen massive Vorwürfe des Masseverwalters wehren.

Foto: Ronald Wittek dpa

Wien – Höchst unangenehme Probleme beschäftigen den Kreditschutzverband von 1870 (KSV). Die Pleite des Nachlasses eines Wiener Rechtsanwalts, der mit den Millionen seiner Mandanten jongliert hatte und sich 2014 das Leben nahm, hat den größten österreichischen und staatlich anerkannten Gläubigerschutzverband vors Handelsgericht gebracht. Allerdings auf die falsche Seite – auf die der Beklagten.

Dazu kam es über einen Umweg. Der Masseverwalter des mit rund zehn Millionen Euro überschuldeten Nachlasses, Christof Stapf, fordert vom Versicherungskonzern Allianz per Anfechtungsklage 2,6 Millionen Euro. Für den Konzern hat der Anwalt jahrelang Gelder aus Autoversicherungscausen zurückgeholt. In den Augen des Masseverwalters bekam die Allianz die 2,6 Mio. Euro zwischen 2012 und 2014 zulasten der anderen Gläubiger ausbezahlt. Sie habe zudem wissen müssen, dass der Anwalt längst insolvent war und die Zahlungen aus "Fremdgeldern" leistete – also mit Geld anderer Mandanten. Die Allianz allerdings macht ihren Auftragnehmer KSV verantwortlich und hat ihm den Streit verkündet. Deswegen sitzt der KSV als Nebenintervenient auf der Beklagtenbank.

Für KSV-Kunden (eben auch für die Allianz) hatte der Jurist als einer von drei KSV-Vertrauensanwälten jahrelang offene Forderungen eingebracht. Laut Masseverwalter hätten die Kreditschützer (flapsig nacherzählt) seit Jahren von den finanziellen Problemen des Anwalts gewusst bzw. wissen müssen, aber nichts unternommen. Der KSV bestreitet das.

Am Montag hat vor dem Handelsgericht (HG) Wien die erste Verhandlung in der heiklen Causa stattgefunden. Anberaumt war die Vernehmung eines seit langem in die Sache involvierten KSV-Geschäftsführers – ausgesagt hat er aber dann nicht. Denn: Der KSV führt nun doch Vergleichsgespräche mit dem Masseverwalter, gab KSV-Anwalt Clemens Richter vor Handelsrichter Manuel Friedrichkeit zu Protokoll.

Vergleich statt Aussage

Stapf hatte angekündigt, seine Fragenliste an den Zeugen umfasse 50 Seiten. Die Verhandlung wurde jedenfalls auf Ende Juni vertagt – sollte ein Kompromiss gefunden werden, wird das Anfechtungsverfahren wohl beendet. Anzunehmen ist, dass der KSV die Sache mit rund 60 Prozent aus der Welt schafft.

Denn: Kleinere angefochtene Zahlungen, die der verstorbene Anwalt zwischen 2012 und 2014 an KSV-Auftraggeber getätigt hatte, hat der KSV längst an die Masse überwiesen. Man hatte sich mit 66 Prozent verglichen, eingezahlt hat der KSV rund 380.000 Euro.

Aus Schriftsätzen, die dem STANDARD vorliegen, geht hervor, was der Masseverwalter dem beklagten Versicherer und dem KSV – immerhin größter österreichischer und staatlich anerkannter Gläubigerschutzverband – konkret vorwirft. Die Allianz sei "spätestens seit Ende 2007 ... über die Probleme" mit dem Anwalt "durch den KSV informiert worden", heißt es darin. Der Mann, der privat in Saus und Braus lebte und pikanterweise Rechnungsprüfer der Rechtsanwaltskammer war (er wurde im Juni 2014 noch einmal gewählt) habe dem Versicherer Ende 2011 bereits 3,1 Mio. Euro geschuldet. Offenbar hat er seine privat entstandenen Schulden mit Mandantengeldern ("Fremdgeldern") beglichen, eine Art Pyramidenspiel.

Laut Schriftsatz hat sich der Jurist dann per Notariatsakt verpflichtet, seine Schulden bei der Allianz ab März 2012 in Raten abzustottern. Eingefordert worden sei das "unter massiver Druckausübung". Und: Der KSV habe "über die finanziell ausweglose Lage" des Anwalts "Bescheid gewusst und mit allen Mitteln versucht, seinen und den Schaden der Allianz zu ihren Gunsten zu minimieren" – was beide bestreiten.

Die Schreiben des KSV, die vor Gericht zitiert werden, werfen allerdings Schatten auf die Gläubigerschützer. Schuldner hätten sich beim KSV beschwert, dass sie längst (an den Anwalt; Anm.) bezahlt hätten – "das ist nicht nur unangenehm für uns, sondern wirft auch ein schlechtes Licht auf den gesamten KSV", hielt eine Mitarbeiterin Ende 2012 fest.

Schon 2006 und 2007 hat der KSV laut Akten aus der Verlassenschaft die Weiterleitung von Zahlungen verlangt, offenbar ohne großen Erfolg. Man habe sich vertrösten lassen und zugewartet. Ein KSV-Chef 2013 in einem Schreiben an den Anwalt: "Wenn die offenen Beträge nicht spätestens am 10. Dezember 2013 bei uns einlangen, sehen wir uns gezwungen, die Rechtsanwaltskammer um Abhilfe zu ersuchen." Das freilich geschah nicht. (Renate Graber, 14.6.2016)