EU-Botschafter Hansjörg Haber (links), hier mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos und dem türkischen EU-Minister Volkan Bozkır. Haber wurde nun als EU-Botschafter in Ankara abberufen.

Foto: Standard/EU/Adem Altan

Ankara – Es hätte ein Scherz sein sollen, aber gescherzt wird in Tayyip Erdoğans Ankara schon lange nicht mehr. Der EU-Botschafter in der Türkei hatte im vergangenen Monat vor Journalisten ein türkisches Sprichwort zitiert: "Wie ein Türke beginnen, wie ein Deutscher aufhören." Etwas mit viel Enthusiasmus starten und dann diszipliniert zu Ende bringen, sollte das heißen. Bei der Visaliberalisierung sei das anscheinend andersherum, meinte Hansjörg Haber, der Leiter der EU-Delegation in Ankara. Die scherzhafte Bemerkung hat den deutschen Spitzendiplomaten den Job gekostet.

Am Dienstag gab sein Büro den Rücktritt bekannt. Der EU-Botschafter werde zum 1. August seinen Posten verlassen, ein Nachfolger werde rasch benannt, erklärte EU-Kommissionsprecherin Maja Kocijančič zu Mittag. Über die Gründe des Rücktritt wollte sie nichts sagen.

Haber war im Mai sogleich ins türkische Außenministerium einbestellt worden. Doch die türkische Regierung ließ den Fall nicht auf sich beruhen. Schließlich ging es um den Streit über die Erfüllung der letzten Punkte im Forderungskatalog der EU für die Aufhebung des Visazwangs. Ankara hatte sich eine schnelle Visaliberalisierung noch zum 1. Juli ausbedungen, als Teil des Flüchtlingsabkommens mit Europa. Haber stieß in ein Wespennest.

Streit um Flüchtlingsabkommen

Ein Botschafter habe kein Recht, sich über ein Land lustig zu machen, kritisierte der damalige türkische EU-Minister Volkan Bozkır scharf. Er ist mittlerweile abgelöst worden durch den Erdoğan-treuen Ömer Çelik, ebenso wie Regierungschef Ahmet Davutoğlu, unter dessen Regie das Flüchtlingsabkommen auf türkischer Seite verhandelt worden war. Die Visaliberalisierung ab Juli gilt als gescheitert, sie kommt nun frühestens im Oktober. Die EU drängt auf eine Reform der rigiden Antiterrorgesetzgebung in der Türkei. Staatschef Erdoğan lehnt das bisher ab. Der Abzug Habers könnte ein "Bauernopfer" sein, um das Flüchtlingsabkommen nicht zu gefährden.

Das türkische Massenblatt "Hürriyet" meldete am Dienstag als Erstes die Abberufung Habers. Die EU-Außenpolitikbeauftragte Federica Mogherini habe so entschieden, um den Streit mit Ankara zu besänftigen. Das deutsche Außenministerium habe sich bis zuletzt gewehrt, hieß es. Der 63-jährige Haber war vor seinem Antritt in Ankara deutscher Botschafter in Kairo. (Markus Bernath, 14.6.2016)