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Mit einem "Abgas-Prüfstand" wurde heuer beim Faschingsumzug in Erfurt die VW-Affäre thematisiert. Nicht mehr zum Lachen ist wohl einem Autohändler, der aufgrund eines ersten Gerichtsurteils ein verkauftes Auto zurücknehmen muss.

Foto: Michael Reichel/dpa

Wien/Wolfsburg – Im VW-Skandal um geschönte Abgaswerte ist in Österreich ein erstes Urteil gefallen. Ein oberösterreichischer Autofahrer hat seinen Händler wegen Irrtums verklagt und in erster Instanz recht bekommen. Laut Gericht hätte der Kläger den Pkw nicht gekauft, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug manipuliert war. Er darf sein Auto zurückgeben und bekommt den Kaufpreis großteils wieder.

"Diese Entscheidung öffnet die Türe für flächendeckende Geltendmachung der Irrtumsanfechtung, da wohl kein Autokäufer aus der Masse der angebotenen Modelle und Marken sich genau für ein Auto entschieden hätte, dem bei Kenntnis der Manipulation eine Typengenehmigung versagt worden wäre", sagte der Anwalt des Klägers, Michael Poduschka, am Dienstag zur APA.

Das Landesgericht Linz ist bei der Irrtumsanfechtung der Argumentation des Klägers, wonach niemand ein manipuliertes Fahrzeug gekauft hätte, gefolgt.

"Hätte der Kläger gewusst, dass im Pkw eine Software verbaut ist, wonach es zwei Modi gibt, die zwischen Prüfstand und Realbetrieb unterscheiden, und dass es wegen dieser zwei programmierten Modi Probleme mit der Zulassungsfähigkeit geben könnte, so hätte er den Pkw nicht gekauft", heißt es in dem nicht rechtskräftigem Urteil, das der APA vorliegt.

Tatsächlicher Ausstoß irrelevant

Wie viel das Auto – in dem Fall ein 2014 gekaufter VW Touran – tatsächlich ausgestoßen hat und wie sich das auf die Fahrleistung ausgewirkt hat, ist für das Gericht nicht relevant. Es sei "lebensnah, dass auch ein langjähriger Kunde (wie wohl jeder durchschnittliche Konsument) 'manipulierte' Fahrzeuge nicht kaufen würde, auch wenn die 'Manipulation' womöglich gar keinen Einfluss auf relevante Eigenschaften haben könnte, haftet einem solchen Fahrzeug doch ungeachtet dessen der Makel des Ungewissen und Unredlichen an", so die Linzer Richterin.

Eine Messung des konkreten Abgasverhaltens und die Untersuchung des sogenannten Steuergeräts konnten "mangels Relevanz unterbleiben".

Jeder Autokäufer kann dem Gericht zufolge davon ausgehen, dass sein Fahrzeug frei von unzulässigen Abschaltvorrichtungen ist – dabei handle es sich um eine üblicherweise vorausgesetzte und "vertragswesentliche" Eigenschaft.

Händler hat Irrtum veranlasst

Das Verwenden einer Abschaltvorrichtung ist laut einer EU-Verordnung unzulässig. Zwar gibt es ein paar Ausnahmen – etwa um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen -, im konkreten Fall kam aber laut Gericht keine dieser Ausnahmen zum Tragen.

Der Händler habe den Käufer nicht über das Vorhandensein der Software aufgeklärt und dadurch "den Irrtum durch Unterlassen adäquat veranlasst". Dass der Beklagte selbst nichts von der Software wusste, sei nicht entscheidend, zumal es auf ein Verschulden nicht ankomme.

Was das Geld betrifft, hat sich der Kläger nicht ganz durchgesetzt. Er hat Mitte 2014 31.750 Euro für seinen VW Touran bezahlt, bekam aber nur 23.000 Euro plus Zinsen, insgesamt sohin 25.000 Euro zugesprochen. Das Gericht hat nämlich ein sogenanntes Benutzungsentgelt abgezogen – nach Meinung von Anwalt Poduschka zu viel. "Die vom Erstgericht vorgenommene Berechnung – ein Abstellen auf den Händlereinkaufspreis – berücksichtigt nicht, dass der Käufer ohne den vom Händler verursachten Irrtum sein Auto noch jahrelang behalten hätte und ihn daher der in den ersten Jahren eintretende Wertverlust nicht so übermäßig treffen kann. Hinsichtlich dieses Punktes werden wir berufen."

ÖAMTC warnt vor voreiligen Klagen


Der Autofahrerclub ÖAMTC mahnt nach dem ersten österreichischen Urteil im VW-Skandal zugunsten eines Autofahrers zur Vorsicht. "Es wäre nicht sehr zweckmäßig, auf Basis dieses Urteils auf eigene Faust zu klagen. Das kann zu völlig anderen Ergebnissen führen", sagte Chefjurist Martin Hoffer.

Er empfiehlt, das Urteil des Höchstgerichts abzuwarten; es ist davon auszugehen, dass der Fall durch die Instanzen geht.

Als Absicherung können sich betroffene VW-Besitzer von ihrem Autohändler einen Verjährungsverzicht unterschreiben lassen, so der Rat des Juristen. Der ÖAMTC hat dafür ein entsprechendes Formular auf seine Homepage gestellt. "Dadurch entgeht man der Gefahr, dass etwaige Gewährleistungsansprüche oder auch Ansprüche wegen Irrtumsanfechtung oder auf Schadenersatz verjähren." Wenn dann Rechtssicherheit herrscht, könne man risikolos klagen.

Der VW-Konzern habe zwar global bis Ende 2016 einen Verjährungsverzicht abgegeben, aber da die Händler dazwischengeschaltet sind, seien Autofahrer auf der sicheren Seite, wenn sie sich auch vom Verkäufer einen solchen Verzicht holen.

Hoffer bezweifelt, dass das Urteil, das ein VW-Touran-Besitzer vom Landesgericht Linz erwirkt hat, in den Instanzen hält. Der "sehr springende Punkt" sei, ob die Vertragsparteien (Käufer und Händler) wirklich davon ausgehen können, dass ein Auto nie eine manipulierende Software eingebaut hat – "auch wenn diese keine ungünstige Wirkung haben sollte".

Volkswagen hat vergangenen Herbst zugegeben, weltweit bei mehr als elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software verwendet zu haben. Diese korrigierte die Abgaswerte auf dem Prüfstand nach unten. Im Straßenbetrieb sind die Emissionswerte etwa bei gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOx) deutlich höher. In Österreich sind rund 388.000 Fahrzeuge des VW-Konzerns betroffen. (APA, 14.6.2016)