Donald Trump und Hillary Clinton – die aller Voraussicht nach die Kandidaten der Republikanischen beziehungsweise Demokratischen Partei sein werden – zählen zu den unbeliebtesten Kandidaten bei einer US-Präsidentschaftswahl. Umfragen zufolge ist Donald Trump mit 58 Prozent sogar der mit Abstand unbeliebteste Kandidat in der Geschichte der Vereinigten Staaten, Hillary Clinton liegt knapp dahinter auf Platz zwei: Rund 54 Prozent der Wähler haben ein negatives Bild von ihr. Grund genug, warum sich viele US-Bürger nach starken Kandidaten außerhalb des bekannten Zweiparteiensystems sehnen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Kandidat genug Stimmen hat, um Clinton oder Trump das Wasser zu reichen, ist verschwindend gering. An das Ergebnis des mit Abstand bedeutendsten Kandidaten einer Drittpartei – Theodore Roosevelt – ist in den letzten Jahren nämlich nicht einmal annähernd jemand herangekommen. Roosevelt hat bei den Präsidentschaftswahlen 1912 als Kandidat der Progressive Party rund 27 Prozent erreicht.
Die erfolgreichsten Kandidaten der vergangenen Jahrzehnte waren 1968 George Wallace, der als Kandidat der American Independent Party über 13 Prozent schaffte und Ross Perot, der als unabhängiger Präsidentschaftsbewerber im Wahljahr 1992 mehr als 18 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnte.
In den letzten Jahren haben es Kandidaten von Drittparteien hingegen in den seltensten Fällen geschafft, auch nur ein Prozent der Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Im 21. Jahrhundert waren dies sogar lediglich zwei Kandidaten: Gary Johnson, Kandidat der Libertarian Party, erkämpfte sich 2012 0,99 Prozent der Wählerstimmen, Ralph Nader von der Green Party schaffte mit 2,75 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen 2000 zumindest das bisher beste Ergebnis seiner Partei.
Der Grund für das schlechte Abschneiden von Drittparteien liegt im US-amerikanischen Wahlsystem, das zahlreiche strukturelle Hürden für Drittparteien bereithält. Als einer der größten Stolpersteine ist hier das Winner-takes-all-Prinzip – die Abstimmung nach dem Mehrheitsprinzip – zu nennen, das bei den Präsidentschaftswahlen in den meisten US-Bundesstaaten angewendet wird. Das bedeutet, dass sämtliche Stimmen der Wahlmänner an den Kandidaten gehen, der die relative Mehrheit der Stimmen erhalten hat, selbst wenn der Abstand zwischen einzelnen Parteien sehr gering ist.
Aufgrund der Dominanz der republikanischen und demokratischen Partei im Wahlkampf ist es für Kandidaten von Drittparteien außerdem schwer, mediale Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung zu bekommen. Oft werden Kandidaten, die nicht von Republikanern oder Demokraten gestellt werden, nämlich weder in Umfragen genannt noch zu den – für den Wahlkampf in den USA so wichtigen – Fernsehdebatten eingeladen. Ein Platz bei den TV-Debatten ist zudem an die Umfragewerte geknüpft: Um im Fernsehen mitdiskutieren zu dürfen, muss ein Kandidat in fünf US-weiten Umfragen die 15-Prozent-Marke knacken und in ausreichend vielen Bundesstaaten auf dem Stimmzettel aufscheinen ("ballot access"), um zumindest theoretisch die Möglichkeit zu haben, die Wahl für sich zu entscheiden. Dies hängt wiederum von der Bekanntheit des Kandidaten ab, da nur jene Kandidaten auf den Stimmzetteln gelistet werden, die eine bestimmte Zahl an Unterstützungsunterschriften sammeln konnten.
Einen Teil dieser Kriterien erfüllen im Wahljahr 2016 zumindest zwei Drittparteien: die Libertarian Party und die Green Party. Beide haben sich bereits in vielen US-Bundesstaaten einen Platz auf dem Stimmzettel gesichert und erfreuen sich vergleichsweise guter Umfragewerte. Viele Wähler können sich nämlich weder für Hillary Clinton noch für Donald Trump begeistern, und rund ein Drittel der unentschlossenen Wähler überlegt, ihre Stimme an den Kandidaten der Libertarian Party oder der Green Party zu geben.
Die Libertarian Party erfreut sich derzeit sogar großer Beliebtheit: Medieninteresse und Mitgliederzahlen steigen stetig. Der Präsidentschaftskandidat der Libertarians, Gary Johnson, liegt mittlerweile in mehreren Umfragen bei rund 10 Prozent und punktet vor allem bei "Never-Trump-Republikanern", was Hillary Clinton zugute käme. Sollte Johnson jedoch auch Stimmen von Sanders-Anhängern gewinnen – er tritt beispielsweise für die Legalisierung von Marihuana und eine nicht interventionistische Außenpolitik ein –, könnte er auch Hillary Clinton um Stimmen bringen.
Johnsons direkter Konkurrent heißt aber weder Donald Trump noch Hillary Clinton, sondern Jill Stein, die mutmaßliche Kandidatin der Green Party. Diese wird erst am Parteitag der Green Party Anfang August offiziell nominiert, verfolgt ein sehr ähnliches Wahlprogramm wie Bernie Sanders und lag in einer CNN-Umfrage Ende Juni bei rund 7 Prozent der Stimmen. Wenngleich also keiner der beiden Kandidaten eine reale Chance gegen die Kandidaten der Großparteien hat, könnten die Präsidentschaftswahlen 2016 trotzdem zur Sternstunde der Drittparteien werden, deren Einfluss auf das Endergebnis wohl bedeutender als bei den letzten Wahlen sein wird. (7.7.2016, Judith Moser)