Zu viel Milch, zu niedrige Preise: Europas Milchwirtschaft hat falsch kalkuliert, was nun vor allem kleine Betriebe ausbaden müssen.

Foto: Michael Koehl

Frage: Ein Milchgipfel am Dienstag in Wien sollte für Österreich Wege aus der Überproduktion aufzeigen. Welche konkreten Ergebnisse gibt es?

Antwort: Milchbauern dürfen Agrarinvestitionskredite heuer stunden, was die Liquidität im Schnitt um 2.100 Euro heben soll. Sonderhilfen in Höhe von acht Millionen Euro sind für Berggebiete geplant. Zudem sollen ihnen heuer die Sozialversicherungsbeiträge für ein Quartal erlassen werden. Das sind 1.500 bis 2.000 Euro je Betrieb.

Frage: Wie reagieren die Sozialpartner auf den Griff ins Sozialbudget?

Antwort: Die Arbeiterkammer ist vehement dagegen: Geld für den Versicherungsrabatt dürfe es nur aus Töpfen der Agrarförderung geben – die jährlich zwei Milliarden Euro gehörten anders verteilt.

Frage: Was wurde aus dem Ruf nach einer Mengenreduktion?

Antwort: VP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter will keinen österreichischen Alleingang, zumal Nordeuropa die Produktion am stärksten ausgebaut habe: Begrenzung aus seiner Sicht also nur EU-weit mit EU-Mitteln. Längerfristig soll mit zusätzlich 50 Millionen Euro Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. Mehr Geld soll in Marketing fließen. Parallel dazu hofft man auf EU-weite Lösungen.

Frage: Sprechen Österreichs Milchbauern mit einer Stimme?

Antwort: Nein. Die Branche ist tief gespalten: Auf der einen Seite Lieferanten, die auf Größe setzen, auf der anderen Seite kleine Betriebe, die Bio und Regionalität vertrauen. Die einen wollen international Marktanteile gewinnen, die anderen nicht zusehen, wie Milch zu Dumpingpreisen exportiert wird.

Frage: Viele Wirtschaftszweige stecken in der Krise. Warum erhitzt gerade Milch so die Gemüter?

Antwort: Viele sehen in ihr ein Lebenselixier, andere im Hype um sie eine Lüge. Jedenfalls ist sie Einkommensquelle für 30.000 landwirtschaftliche Betriebe in Österreich. Dazu kommen tausende Jobs in Molkereien, die ihre Kapazität für Exporte stark ausbauten.

Frage: Warum braucht es überhaupt politische Interventionen, warum reguliert sich der Markt nicht selbst?

Antwort: Er tut es. Allerdings hat der Staat über eine EU-Quotenregelung bis März 2015 fast 40 Jahre lang massiv in ihn eingegriffen. Nun gibt es Anpassungsprobleme, politischer Druck baute sich auf.

Frage: Wie war das noch einmal mit den umstrittenen Quoten?

Antwort: Hohe Preise an Bauern führten in Europa einst zu Milchseen und Butterbergen. Ihr Abbau zerstörte kleinbäuerliche Strukturen in ärmeren Ländern. Einzelbetriebliche Quoten steuerten EU-weit dagegen: Wer zu viel lieferte, zahlte Strafe. Österreich büßte für Überproduktion mit bis zu 45 Millionen Euro jährlich. 2015 lief die Quote aus. Hauptgrund dafür war neben der enormen Bürokratie die wachsende Ausrichtung auf Weltmärkte wie China und Russland.

Frage: Nun sind die Milchseen zurück und Preise im Keller. Was lief schief?

Antwort: Europas Landwirte bauten ihre Milchmenge in der Hoffnung auf neue Abnehmer erneut aus. Investitionen wurden gefördert, Intensivierung vorangetrieben, etwa durch Kraftfutterimporte. Das Ziel: international wettbewerbsfähiger zu werden. Österreich erhöhte die Milchmenge seit 2013 um zehn Prozent. Doch die große Nachfrage blieb aus. Viele Betriebe überhoben sich finanziell. Der Preisverfall trifft nun freilich auch all jene, die nicht auf Teufel komm raus expandierten und Kühe auf Leistung trimmten.

Frage: Wie viel verdienen sie derzeit pro Kilo Rohmilch?

Antwort: In Österreich im Schnitt 26 bis 28 Cent netto, für Bio 40 bis 42 Cent. In Norddeutschland gibt es oft nur 20 Cent pro Kilo. Alles unter 30 Cent gilt als unrentabel.

Frage: Wie reagieren die Konsumenten auf das Auf und Ab der Preise?

Antwort: Gar nicht. Die Nachfrage bleibt selbst bei Preisausschlägen von 50 Prozent in beide Richtungen fast stabil. Die Österreicher konsumieren pro Kopf und Jahr im Schnitt 77 Liter Milch. Zudem fünf Kilo Butter und 22 Kilo Käse.

Frage: Ist ein Land wie Österreich ohne Milchbauern vorstellbar?

Antwort: Österreich ist von Grünland und Alpinlandschaft geprägt. Traditionell bietet es sich an, diese für Milchwirtschaft zu nutzen. Bauern haben hohe Bedeutung als Landschaftspfleger. Was über Förderungen berücksichtigt wird: 250 Millionen fließen über Ausgleichszahlungen in Berggebiete. Und es gibt Flächenprämien von 250 Euro pro Hektar. Doch die Zahl der Milchbauern sinkt. Vor allem in Bergregionen lässt sich das Sterben kleiner Betriebe schwer bremsen. (FRAGE & ANTWORT: Verena Kainrath, 14.6.2016)