Corinna Kuhnle war 2010 und 2011 Weltmeisterin, doch in London 2012 wurde sie nur Achte. "Ein Misserfolg." 2016 soll es anders kommen.

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Wien – Corinna Kuhnle war noch nie in Rio de Janeiro, das ist bemerkenswert. Schließlich hat die Wildwasserkanutin, Abteilung Slalom, bei den Olympischen Spielen im August als eine heimische Medaillenhoffnung zu gelten. Und diese Hoffnungen sind nach derzeitigem Stand an einer Hand abzuzählen.

Dass Kuhnle (28), im Gegensatz etwa zu Österreichs Seglerinnen und Seglern, die seit Jahren in Rio trainieren, sich noch nicht mit den Gegebenheiten vertraut gemacht hat, kommt nicht von ungefähr. Die Weltmeisterin 2010 und 2011 hat sich erst vor zehn Tagen fix für die Spiele qualifiziert. So lange dauerte die interne Ausscheidung. Kuhnle, die bei der WM 2015 mit Rang 29 gepatzt hatte, musste sich gegen die WM-14. Violetta Oblinger-Peters und Lisa Leitner durchsetzen. Sie ließ beide sowohl bei der EM im Mai in der Slowakei als auch zuletzt bei einem Weltcup-Event in Italien klar hinter sich. Nur die Niederösterreicherin hatte da und auch dort das Finale erreicht.

Der Druck war groß gewesen, speziell bei der EM. Dort hatte Kuhnle im ersten Quali-Durchgang gepatzt. "Im zweiten ist es um alles oder nichts gegangen." Herausgekommen ist "alles", mit Bestzeit. "Das war einer der besten Läufe, die ich je gefahren bin." Nicht zuletzt hat sie sich selbst bewiesen, dass sie in schwierigen Situationen bestehen kann. Früher sei es "vielleicht ab und zu so gewesen, dass ich dem Druck nicht standgehalten habe".

Die Olympischen Spiele 2012 in London sind dafür kein schlechtes Beispiel. Kuhnle, zuvor zweimal Weltmeisterin, fuhr als einer der großen Favoritinnen hin – und als Achte wieder heim. "Ein Misserfolg. Ich bin im Finale am fünften Tor vorbeigefahren, damit waren schon alle Chancen dahin. Ein technischer Fehler, ich hab quasi eingefädelt und dann wieder raufsteigen müssen."

Jetzt sieht die Sache ganz anders aus, die olympische Herangehensweise ist mit 2012 nicht vergleichbar. London, sagt Kuhnle, sei für sie "eine Selbstverständlichkeit gewesen", sie habe damals nie an ihrer Qualifikation gezweifelt. Diesmal habe sie ganz bewusst beschlossen, auf viele Trainingsmöglichkeiten und auch den vorolympischen Bewerb Ende 2015 in Rio zu verzichten.

Grundlagenarbeit

Stattdessen hat sie – in einem fünfwöchigen Trainingslager in Australien und ab März in der Verbund-Wasserarena auf der Wiener Donauinsel – Grundlagenarbeit gemacht. "Und es hat sich garantiert ausgezahlt, daheimzubleiben." Erst kommende Woche wird Kuhnle erstmals nach Rio fliegen, zweieinhalb Wochen dort trainieren. Es ist die letzte Möglichkeit, den Olympiakanal vor den Spielen kennenzulernen.

Corinna Kuhnle ist in Höflein bei Klosterneuburg aufgewachsen, praktisch gegenüber hatte der Paddelklub der Naturfreunde seinen Sitz. Als Siebenjährige saß sie erstmals im Kanu, zunächst war das Wasser flach, mit zwölf Jahren übersiedelte sie ins Wildwasser. 2006, nach ihrer HTL-Matura, ging sie zum Bundesheer, seit damals paddelt sie professionell – und praktisch ausschließlich solo, Kajak-Einer.

Zunächst hat sich Kuhnle im Training vor allem mit Männern gemessen. "Ich habe auch immer versucht, wie die Männer zu fahren. Enge Linie, explosive Bewegungen." Seit 2013, seit sie vom Deutschen Michael Seibert betreut wird, bleiben die Kanutinnen meistens unter sich. Zu Kuhnle und Oblinger-Peters stießen einige Talente dazu. "Wir haben mittlerweile eines der besten Nationalteams", sagt Kuhnle.

Österreichs letzte Olympiamedaille war die bronzene, die Violetta Oblinger-Peters am 15. August 2008 in Peking gewann. Am 11. August 2016 will Corinna Kuhnle ihre Chance nützen. Sie muss nicht Favoritin sein. "Favoritin war ich schon." (Fritz Neumann, 15.6.2016)